Roma sollen hinter Stacheldraht

Rumänische Lokalpolitiker planen die Unterbringung von Roma in Ghettos. Rechtsextreme Gruppen machen mobil

BERLIN taz ■ „Ich werde sie auf die Straße setzen, dann können sie sich in alle vier Windrichtungen verziehen. Ich wollte ihnen einen Gefallen tun, doch sie meinten ich hätte etwas Böses im Sinn gehabt. So ist der Zigeuner! Wenn du ihm einen Finger reichst, will er gleich die ganze Hand.“

Mit dieser wirren Erklärung verabschiedete sich der in die Kritik geratene Bürgermeister der ostrumänischen Stadt Piatra Neamt, Ion Rotaru, von seinem Projekt, etwa 2000 Roma in einem Ghetto unterzubringen. Noch vor kurzem hatte er die Umwandlung ehemaliger Hühnerställe in Wohnungen für Roma als großartiges soziales Unterfangen verteidigt, das der rumänische Informationsminister als „soziales und nachahmenswertes Projekt“ gelobt hatte.

Die Absicht des Bürgermeisters, die Roma mit einem Sonderausweis auszustatten und in die am Stadtrand gelegenen Ställe zu isolieren, das Areal mit Stacheldraht einzuzäunen und von Polizisten und Hundestaffeln bewachen zu lassen, stieß auf Proteste bei Romaorganisationen und Menschenrechtsgruppen. In einem offenen Brief der Romaorganisation „Romani CRISS“ wurden die Maßnahmen offen als „Nazimethoden“ angeprangert. Die Organisation verwies darauf, dass Derartiges den euroatlantischen Integrationsbemühungen des Landes schaden und im Widerspruch zu dem von der Regierung verabschiedeten Strategiepapier bezüglich der Verbesserung der sozialen Bedingungen der Roma stünde.

„Wenn man meinen Versuch, Leuten Wohnungen und Essen zur Verfügung zu stellen, als Verletzung von Menschenrechten oder Rassismus á la Mengele oder Antonescu versteht, kann man mich ruhig als fremdenfeindlich oder rassistisch bezeichnen“, erklärte der Bürgermeister noch in der vergangenen Woche in den rumänischen Medien.

Schon die Erwähnung Antonescus in diesem Zusammenhang ist eine offene Provokation für die Roma Rumäniens. Der militärfaschistische Diktator Antonescu wurde 1946 auch wegen der Deportation und Ermordung von etwa 30 000 Roma als Kriegsverbrecher und Initiator des Genozids an den rumänischen Juden und Zigeunern zum Tode verurteilt. Rumänische Ultranationalisten forderten nach der Wende seine Rehabilitierung und errichteten ihm in mehreren Städten Denkmäler.

Für die auf europäische Integration bedachte rumänische Regierung kam der Zwischenfall völlig ungelegen. Der Anfang vergangener Woche in Berlin bei einer Konferenz gegen Menschenhandel als moderne Form der Sklaverei anwesende rumänische Außenminister und Vorsitzende der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), Mircea Geoana antwortete ausweichend auf die Frage nach dem Projekt in Piatra Neamt. Geoana berief sich auf Staatschef Iliescu, der die Entscheidung des Bürgermeisters als „unklug“ bezeichnet hatte.

Einstweilen aber ist das umstrittene Projekt des Bürgermeisters in Rumänien populärer denn je. Die Gemeindevorsteher aus Deva und Baia Mare kündigten an, die Roma in ähnlichen „sozialen Einrichtungen“ unterzubringen wie der Bürgermeister in Piatra Neamt. Mehrere Tageszeitungen entfachten unterdessen eine romafeindliche Kampagne. In einem Pamphlet beschimpfte das regierungsfreundliche Blatt Adevarul die Vertreter verschiedener Romaorganisationen als „Luxuszigeuner“ und beschuldigte sie, Rumänien anschwärzen und einen nicht existierenden interethnischen Konflikt herbeireden zu wollen. Den Präsidenten der Romaföderation verunglimpfte das Blatt als „Parteiaktivisten neuen Typs“, die Chefin des Helsinkikomitees als „Sängerin zigeunerischer Bürgerrechtslieder“. Menschenrechtsorganisationen und die Romavereinigung „Romani CRISS“ kündigten juristische Schritte an.

In die Auseinandersetzung haben sich nun auch militante rechtsextremistische Organisationen eingeschaltet. Unlängst überklebten Mitglieder der Organisation „Neue Rechte“ in Deva Litfasssäulen mit Plakaten, auf denen sie für eine radikale Lösung des „Zigeunerproblems“ werben. Der Vorsitzende der „Neue Rechten“, Tudor Ionescu erklärte, dass seine Organisation gegen die Überfremdung des rumänischen Volkes kämpfe und dafür plädiere, die Zigeuner zu isolieren und die Frauen Zwangsabtreibungen zu unterwerfen. Die Behörden in Deva bestritten jeden Zusammenhang zwischen den Plakaten der „Neuen Rechten“ und der Absicht des Bürgermeisters, die Roma in einem am Rande der Stadt gelegenen Viertel einzuquartieren.WILLIAM TOTOK