Die Wahl: Kinder oder Juniorprofessur kriegen

Die Bildungsministerin meint, ihre neuen Professuren sind ideal für Frauen. Frauenbeauftragte denken anders: Juniorprofessur ist extrem belastend

BERLIN taz ■ An Deutschlands Universitäten steht ein Generationswechsel bevor, der Grund zur Hoffnung gibt. Etwa jeder zweite Professor tritt in den nächsten zehn Jahren in den Ruhestand. Die rot-grüne Bundesregierung will diese historische Chance auch für Frauen nutzen.

Der Blick auf die aktuelle Berufungsstatistik ist ernüchternd – noch. Bundesweit sind nur knapp ein Zehntel aller Professuren von Frauen besetzt. Doch jetzt ist sich Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) sicher: Sie glaubt, den Anteil an Professorinnen bis 2005 auf 20 Prozent steigern zu können. Die neue Zauberformel dafür heißt für Bulmahn Juniorprofessur. Sie kann mit knapp 30 Jahren angetreten werden, dauert sechs Jahre und verlangt keine dicke Habilitationsschrift. Der Qualifikationsweg soll Professoren jünger und selbstständiger machen – und zugleich frauenfördernd wirken. Die Bildungsministerin meint sogar, mit der Juniorprofessur lassen sich „Beruf und Familie besser vereinbaren“. Expertinnen sind sich aber genau darüber uneins.

Im bayerischen Staatstinstitut für Hochschulforschung zum Beispiel hält frau Zeitpunkt und Frist für die Qualifizierung zur Professorin für ein Problem. Denn die wissenschaftlich fruchtbarste Zeit ist zugleich die beste zum Kinderkriegen. Juniorprofessorinnen müssten sich also „radikal für oder gegen Kinder entscheiden“. Monika Frommel zielt mit ihren Bedenken auf die neuen, dauernden Qualifikationsnachweise, die Juniorprofessorinnen erbringen müssen. „Ein mehrstufiges Evaluationsverfahren, das Lehrtätigkeit, Drittmitteleinwerbung und Schriftenverzeichnis unter die Lupe nimmt“, sagt die Kieler Kriminologin, könne frau nur mit einem Partner im Rücken schaffen, der die klassische Frauenrolle übernimmt.

Marianne Kriszio, Sprecherin des Bundeskongresses der Frauenbeauftragten, ist weniger skeptisch. Die Juniorprofessur werde die Frauen nicht schlechter stellen, als es mit den jetzigen C1-Nachwuchsstellen geschehe – wenn nur der Anteil der Frauen stimme.

Die Humboldt-Uni in Berlin schreibt gerade bundesweit die ersten Juniorprofessuren aus. Der Anteil von Frauen soll dabei auf 40 Prozent steigen – gegenüber den bisherigen 35 Prozent an C1-Stellen. So jedenfalls erhofft es sich Kriszio. Sie fordert, diese Marge auch in das gerade im Bundestag zu beratende Gesetz zu schreiben. Und tatsächlich hat das Bonner „Kompetenzzentrum für Frauen in der Wissenschaft“ eine entsprechende Formel vorgelegt. Danach seien im Falle der Unterrepräsentierung eines Geschlechts die Angehörigen dieses Geschlechts besonders zu fördern – mit 40 Prozent der Stellen.

Bildungsministerin Bulmahn bezuschusst das Kompetenzzentrum für Frauen zwar. Deren Gesetzesformel hat sie aber bisher nicht berücksichtigt. Kriszio wundert sich über diese widersprüchliche Art der Frauenförderung: „Es nützt doch nichts, wenn Frau Bulmahn das Frauenzentrum einerseits fördert – seine Ratschläge andererseits aber ignoriert.“

Für Mechthild Koreuber, Frauenbeauftragte an der Freien Uni Berlins, ist die Sache mit der Juniorprofessur noch nicht entschieden. Die Abschaffung der Habilitation könne die Berufungschancen für Frauen verbessern – oder auch bessere Möglichkeiten liefern, junge Männer an habilitierten Kolleginnen vorbei auf Professuren zu schleusen. „Das hängt von den politischen Randbedingungen und der Zusammensetzung der universitären Verwaltungsgremien ab.“ CONSTANZE KORB