Genossen freuen sich über jeden Besuch

Auf ihrer Sommertour will PDS-Parteichefin Zimmer die Chancen der PDS im Westen ausloten. Doch die Begegnung mit der Basis ist wenig ermutigend

aus Nürnberg BERND SIEGLER

„Viel Mut, viel Kraft und viel, viel Glück!“ Mit einem Blumenstrauß in der Hand und ein paar Journalisten und Fotografen im Schlepptau übermittelt die PDS-Bundesvorsitzende Gabi Zimmer den drei Betriebsräten ihre Solidarität. Seit fünf Wochen schon harrt das Trio angekettet und bei Wasser und Brot am Werktor aus, um gegen die geplante Schließung des Ausbesserungswerks der Deutschen Bahn in Nürnberg und das Aus für rund 1.000 Arbeitsplätze zu protestieren. „Wir freuen uns über jeden, der kommt“, sagt eine Aktivistin und meint es auch so. Bayerns Wirtschaftsminister Otto Wiesheu (CSU) war schon da, Renate Schmidt von der SPD auch – und jetzt eben Gabi Zimmer auf der ersten Station ihrer Westtour.

Beim Bahn-Ausbesserungswerk kennt sie keiner. Immerhin haben knapp 100 Arbeiter spontan ihre Mittagspause verlängert, um das zu ändern. „Wer nicht kämpft, hat schon verloren“, schreibt die PDS-Chefin den Hungerstreikenden ins Gästebuch. Und kämpfen will auch die 46-jährige Diplomsprachmittlerin für Russisch und Französisch, die es von der SED-Parteisekretärin für das Fahrzeug- und Jagdwaffenkombinat in Suhl nach der Wende zur PDS-Landesvorsitzenden in Thüringen und im vergangenen Oktober schließlich zur Parteivorsitzenden brachte.

Die Außenseiterkandidatin war damals angetreten, um nicht nur die Gräben in der Partei zu überwinden, sondern gleich in der ganzen Republik. Nun will sie die PDS in der deutschen Parteienlandschaft als Partei verorten, „die die deutsche Einheit befördert“, und nicht als eine, „die vom Ost-West-Zwiespalt profitiert“. An fünf Tagen hetzt sie dafür nun durch fünf Bundesländer, schaut bei der Bochum-Dortmunder Obdachloseninitiative vorbei, führt ein Hintergrundgespräch in der ZDF-Chefredaktion, informiert sich bei Motorola in Flensburg, stellt in Emden auf einer Parteikundgebung die PDS „als einzige reformorientierte linke parlamentarische Kraft“ dar und will den von Werksschließung bedrohten Arbeitern im Westen beistehen.

Nicht nur hier in Nürnberg, sondern auch in Hagen. Dort will Brandt-Zwieback seine Produktion in Zimmers Heimat, nach Thüringen, verlagern. Es winken hohe Subventionen und billige Arbeitskräfte. Für Gabi Zimmer ein „Musterbeispiel“ dafür, wie die Einheit Deutschlands nicht funktionieren kann. „Standorte dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden.“

Im Gegensatz zum Kanzler und seiner Sommerreise durch die ostdeutschen Länder will Zimmer „nicht das Sommerloch füllen“. „Brücken bauen“ heißt das Motto ihrer Tour, die sie in die Partnerstädte der Kommunen führt, die sie bei ihrer Osttournee im April besucht hatte. So hatte sie in Nürnbergs Partnerstadt Gera die Abwanderung junger Menschen vor allem nach Bayern als größtes Problem ausgemacht. Jetzt wollte sie in Nürnberg sehen, ob es sich lohne, dorthin abzuwandern. Bei den Betriebsbesichtigungen und Gesprächen im Westen will Zimmer viel zuhören und erfahren, was die Wessis von der PDS halten. Ihr geht es um ein „größeres Gespür, wo die Chancen und wo die Defizite“ der Partei liegen.

In Nürnberg hält sich der Wissenszuwachs der PDS-Chefin in engen Grenzen. Mit gerade zwei Arbeitern hat sie im Ausbesserungswerk einige Sätze gewechselt. Einer davon ist Horst Barras. Seit 30 Jahren ist der 50-Jährige bei der Bahn, seit fünf Jahren überprüft er die Radsatzwellen der verschiedenen ICE-Modelle. Barras fällt nur noch wenig ein, als die PDS-Vorsitzende vor ihm steht, von „harten Entscheidungen“ spricht, fragt, wie es nun weitergehe, und dass „jeder Tag ein harter Tag“ sei. Nach ein paar Minuten hat sich der Smalltalk erschöpft. „Es war schön, dass sie da war, aber was soll sie denn bewirken“, lautet sein Kommentar, als Gabi Zimmer zu ihrer nächsten Station, dem Reichsparteitagsgelände, entschwunden ist.

Nach der Reise in die deutsche Vergangenheit und Gesprächen bei einer Arbeitsloseninitiative und in einem privaten Friedensmuseum schließt ein Austausch mit der Parteibasis den ersten Tourtag ab. 20 Genossen haben sich dazu beim Griechen unweit des Nürnberger PDS-Büros eingefunden. Einige haben sogar extra ihren Urlaub unterbrochen, um „Gabi“ zu sehen und ein paar Schnappschüsse für das Familienalbum zu knipsen.

Zimmer will die Genossen im Westen aufmuntern. Das ist auch dringend nötig. Von den rund 80.000 Parteimitgliedern kommen nur 4.000 aus dem Westen. Mit 490 PDS-Mitgliedern liegt Bayern über dem Durchschnitt. Nürnberg gilt mit 70 Mitgliedern gar als Hochburg. Nur über die Verankerung in den Kommunen könne die PDS, so Zimmer, „im Westen ein Gesicht bekommen“. Deshalb verspricht sie den Genossen in Nürnberg, die bei den letzten Kommunalwahlen einen Stadtratssitz nur knapp verpasst hatten, Unterstützung vom Thüringer Landesverband.

Das erfreut Ulrich Schönweiß, Sprecher der Nürnberger PDS. Endlich nehme die Ostpartei ihre Mitglieder auch ernst. Die im Osten sollten ruhig wissen, wie schwer man es als PDSler in Bayern habe. „Wir werden von links und rechts hart angegangen und auch noch vom Verfassungsschutz beobachtet.“ Gerade deshalb ist Schönweiß stolz auf sein „kleines, aber sehr aktives Häuflein“. Das kann die PDS-Chefin gut nachvollziehen und schließt ihren ersten Tourtag mit einem positiven Fazit ab: „Ich habe gesehen, dass die PDS im Westen gebraucht wird. Das gibt Hoffnung.“