Betr.: Fuck-Parade-Demo

von der Fuck-Parade-Demo TILMAN STEFFEN

„Haben Sie elektronische Musikabspielgeräte dabei?“, fragt ein Polizist den jungen Mann auf dem Weg zum Auftakt der Fuck-Parade-Demonstration in Berlin-Friedrichshain. Musikinstrumente seien erlaubt, nur Radios, CD- oder Kassettenspieler nicht, erläutert der Beamte freundlich, als sich im Rucksack des Demonstranten zwischen Getränkedose, Sonnenbrille und Ausweis nichts Subversives findet.

Zeitgleich muss Anja Schneider vom ORB-Jugendradio Fritz vor der Volksbühne in Berlin-Mitte einpacken: Hier ist die Abschlusskundgebung der Demo geplant. Und die Polizei sieht die radiofreie Zone durch die Fritz-Turntables gefährdet.

Denn zunächst hatte die Versammlungsbehörde der traditionellen Fuck Parade den Demonstrationsstatus aberkannt. Und auch für die dann genehmigte „Demo gegen das Demonstrationsverbot“ ohne die üblichen Trucks mit Lautsprecherboxen gab es Auflagen: keine Abspielgeräte. Der Radiosender hatten den DJs, die eigentlich bei der Fuck Parade auflegen wollten, angeboten, ihre Musik über den Sender zu schicken. Und die Demonstranten sollten dafür Radios mitbringen.

Rad an Rad stehen nun die grünweißen Mannschaftswagen der Polizei entlang der Karl-Marx-Allee, um das Verbot durchzusetzen. Ein junger Drum-’n’-Bass-Fan hat einen Supermarkteinkaufswagen zum Ersatzsoundsystem umfunktioniert: Zwei Trommeln liegen darin, mit Verbandsmull hat er das Ende eines Besenstiels gepolstert und drischt damit auf die Felle ein. Die Umstehenden toben zum Groove. „Streets for Parties“ verkündet ein eilig beschriftetes Plakat an der Wagenseite.

„Gegen Behördenschikane“, „Musik ist auch eine Bewegung“, proklamieren Transparente später auf dem Zug. Aus Protest gegen das Demoverbot seien sie hier, sagen die meisten Befragten. Nur einer relativiert: „Die Fuck Parade hat zwar einen politischen Anspruch, ist doch aber auch nur ’ne Party.“ Politisch sei das Ganze heute nur durch das Verbot geworden.

Fuck-Parade-Initiator Martin Kliehm klagt durch ein kleines Megafon die Versammlungsbehörde an, die den Politikern „auf dem Kopf rumtanzt“. Und Techno-Veteran DJ Wolle XDP fordert den Rücktritt von Innensenator Ehrhart Körting (SPD). An die 2.000 Menschen quittieren jeden Satz mit Jubel. Die Zustände gleichen denen zu Zeiten der DDR, sagt Wolle nach der Kundgebung zur taz. „Beim FDJ-Pfingsttreffen 1983 bin ich von Polizei und Stasi verfolgt worden, weil ich einen Kassettenrekorder auf der Schulter hatte.“

Auch nach dem Ende der Kundgebung bleiben die Menschen vor der Volksbühne. „Wir warten auf Musik, dass was passiert“, sagte eine Frau. Die kommt dann auch. Aus einem Lkw in der Seitenstraße dröhnen Techno-Beats. Für 30 Sekunden. Dann wird der Wagen per Polizeigewalt in die Flucht geschlagen. Für zehn Minuten fliegen Flaschen und Getränkedosen auf die Beamten. Drei Festnahmen, zwei verletzte Polizisten, heißt es im Polizeibericht. Vor der Volksbühne bemüht sich Kliehm um Deeskalation: „Wir können keine Musik machen“, die Polizei habe keinen Spielraum, verteidigt er die Beamten. „Du machst hier den Büttel“, pöbelt eine Demonstrantin ihn an.