Techno-Demo gar nicht oder leise

Versammlungsbehörde will der Fuckparade in zweiter Instanz den Status einer politischen Veranstaltung aberkennen. Für den Fall, dass sie damit vor Gericht erneut scheitert, hat sie schon mal Auflagen erteilt: Hard-Core-Techno mit maximal 85 Dezibel

„Gegen die Reinigung der Innenstädte von allem, was anders ist“

von TILMAN STEFFEN

Die Fuckparade hält die Justiz weiter in Bewegung. Denn die Innensenator Erhart Körting (SPD) unterstellte Versammlungsbehörde will der Gegendemo zur Love Parade weiterhin den Status einer politischen Demonstraion aberkennen. Zwar hatte ihr das Verwaltungsgericht erst am 28. Juni genau diesen Status zugesprochen. Aber dagegen hat nun die Versammlungsbehörde Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht (OVG) eingereicht.

Der Fuckparade-Veranstalter Martin Kliehm verteidigt sich jetzt gegen den erneuten Versuch, den für den 14. Juli geplanten Umzug zu verbieten. Sein Rechtsbeistand, die Versammlungsrechtsexpertin Inka Bock, reichte gestern Nachmittag fristgerecht beim OVG die Verteidigungsschrift gegen die behördliche Beschwerde ein.

Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hat die Erlasse der ihm unterstellten Versammlungsbehörde politisch zu verantworten. Mit dem für die Hardcore-Techo-Freaks unpopulären Einspruch gegen die Entscheidung der ersten Instanz tritt der Senator nun in die Fußstapfen seines CDU-Vorgängers Eckart Werthebach. Unter dessen Regie hatte der Polizeipräsident, Antragsteller Kliehm, bereits am 14. Mai die Demonstrationserlaubnis verweigert.

Mit dem Regierungswechsel war die – nun enttäuschte – Hoffnung auf eine liberalere Auslegung des Demonstrationsrechts verbunden gewesen. In Körtings Büro begründet man den Einspruch jetzt mit der Notwendigkeit, „eine gundsätzliche Bestätigung durch das OVG einzuholen und damit verlässliche Regeln für alle Beteiligten zu erhalten“, so Körtings Sprecherin Schröder-Lomb. Es sei üblich, in solchen Fällen die Meinung der übergeordneten Instanz zu hören. Die eingereichte Beschwerde beim OVG habe nichts mit einer besonderen politischen Haltung des Senators zu tun.

Wolfgang Wieland (Grüne), dessen Wahl zum Justizsenator auch Zeichen des Politikwechsels ist, stellt sich hinter seinen Amtskollegen Körting: Der Innenbehörde sei es „nicht negativ anzulasten“, dass sie nun in zweiter Instanz eine Entscheidung herbeiführen will. Die Frage sei, ob es sich um eine Demonstration oder um eine „abgespaltene Love Parade“ handele. „Wir sind gespannt“, ergänzte Wieland.

Hauptstreitpunkt war bisher die Frage der „kollektiven Meinungsbildung und -kundgabe“, die Körtings Behörde als „Nebenakt“ einstuft, der aber bei seinem Wegfall „das Erscheinungsbild der Veranstaltung“ verändere. Dies sei ein Widerspruch, so Kliehm. Die Versammlungsbehörde wiederhole zudem lediglich die „unhaltbaren Behauptungen“ des ursprünglichen Verbots, argumentiert Kliehm. Man habe bei der Behörde das Urteil des Verwaltungsgerichtes offenbar „gar nicht richtig gelesen“. Die Fuckparade sei in ihrer Gesamtheit eine Versammlung, weiterhin könne die auf rund 20.000 Flyern geäußerte Meinung gar kein nebensächlicher Bestandteil sein, sagte der Frankfurter DJ („Trauma XP“).

Die Fuckparade wurde erstmals 1997 als Gegenveranstaltung zur Love Parade veranstaltet. Die Hardcore-Techno-Freaks protestieren gegen die Schließung von Clubs, die Auflösung von Partys und gegen die „Reinigung der Innenstädte von allem, was anders ist“.

Für den Fall, dass die Senatsbeschwerde beim OVG abgewiesen wird, hat die Versammlungsabteilung Kliehm schon mal eine vorläufige Anmeldebestätigung zugestellt. Doch darin dräut weiteres Unheil: Mindestabstand der Teilnehmer zu den mitfahrenden Lkws seitlich ein, vorn und hinten drei Meter, wird darin verlangt, Geräuschpegel in zehn Meter Entfernung zu den Lautsprechern: nicht über 85 Dezibel. Selbst ein Staubsauger bringt es bis auf 80 Dezibel. Auch weiß Kliehm nicht, wie und warum er die mehr als 40 Lkws abschirmen soll. Die Gefährte erreichen eine Höchstgeschwindigkeit von 5 Stundenkilometern. Nötigenfalls will Kliehm bis vors Bundesverfassungsgericht ziehen.