Frau in der Walhalla

Die Widerstandskämpferin Sophie Scholl wird in die Ahnengalerie der erlauchten Deutschen aufgenommen

NÜRNBERG taz ■ Für jeden bayerischen Schüler ist es ein Muss, ebenso wie für Touristen, die nach Regensburg kommen: eine Schifffahrt auf der Donau bis nach Regenstauf und dann den Berg hinauf zur Walhalla. 358 Stufen wollen zu dem mit 52 Säulen umgegebenen Tempelbau erklommen und die 84 Zentner schwere Tür aus deutscher Eiche durchschritten sein, und erst dann befindet sich der Besucher in der deutschen Ahnengalerie.

Gruppiert um marmorne germanische Siegesgöttinnen stehen die Büsten „rühmlich ausgezeichneter Teutscher“, wie es König Ludwig I. von Bayern bei der feierlichen Eröffnung der Ruhmeshalle im Jahre 1842 verkündet hatte. Bislang sind es 126. Im Frühjahr 2003 wird, so beschließt es heute das bayerische Kabinett, die von den Nazis hingerichtete Widerstandskämpferin Sophie Scholl hinzukommen. Sie hebt dann die Frauenquote auf 3 Prozent an.

Neben Kaiserin Maria Theresia, Katharina der Großen und der 1998 in den Männerbund der berühmten Persönlichkeiten „teutscher Zunge“ aufgenommenen selig gesprochenen Ordensschwester Karolina Maria Theresia von Jesu Gerhardinger ist Sophie Scholl die vierte Frau, die mit ihrer Büste in der Walhalla steht. Zusammen mit ihrem Bruder Hans war sie ein führendes Mitglied der Studentengruppe „Weiße Rose“, die in München auf Flugblättern zum Widerstand gegen das Nazi-Regime aufrief. Am 22. Februar 1943 wurden die 22-jährige Sophie Scholl, ihr Bruder Hans und ihr Mitstreiter Christoph Probst im Gefängnis München-Stadelheim mit dem Fallbeil umgebracht.

Zu ihrem 60. Todestag soll nun die Büste aufgestellt werden. Bayerns Wissenschafts- und Kunstminister Hans Zehetmair bezeichnet Sophie Scholl als „leuchtendes Vorbild für Mut und demokratische Gesinnung“. Die Büste soll ein „Zeichen gegen rechts“ setzen. Der Freistaat bezahlt die Büste. Normalerweise wird derjenige zur Kasse gebeten, der einen Vorschlag macht. Gleichzeitig will Zehetmair für alle Mitglieder des Widerstands gegen den Nationalsozialismus eine Gedenktafel in der Ruhmeshalle anbringen.

Zuletzt durften in die Walhalla: Albert Einstein (1990), die Ordensgründerin Karolina Gerhardinger (1998), Altbundeskanzler Konrad Adenauer (1999) und der Komponist Johannes Brahms (2000). Geehrt werden nicht nur Personen, die nach Ansicht der bayerischen Staatsregierung Bedeutendes in Politik, Sozialem, Wissenschaft oder Kunst geleistet haben und der „deutsch-germanischen Sprachfamilie“ angehören, sie müssen auch wenigstens 20 Jahre tot sein.

BERND SIEGLER