Proteste in Kroatien

Nationalisten fordern die Regierung in Zagreb auf, die Kooperation mit dem Tribunal in Den Haag einzustellen

BERLIN taz ■ Es war eine der größten Demonstrationen, die Split jemals erlebt hat. Als am Sonntag über 100.000 Menschen das Zentrum der dalmatinischen Hafenstadt lahm legten, fühlten sich einige der Bewohner an die Zeit Anfang des Krieges in Kroatien zurückversetzt. Nationalistisch ausgerichtete Veteranenverbände und die ehemalige Regierungspartei HDZ mobilisierten ihre Anhänger. Der Anlass: Ein der Kriegsverbrechen verdächtigter Exgeneral sollte sich Vorermittlungen der Staatsanwaltschaft in Rijeka stellen.

Auch in anderen Städten wurde protestiert. Für Donnerstag wurden neue Demonstrationen für den Fall angekündigt, dass die von Sozialdemokraten geführte Regierung die Ermittlungen gegen Exgeneral Mirko Norac nicht einstellen lässt. Kroatien ist angesichts der Kriegsverbrecherfrage in eine innenpolitische Krise geschlittert.

Schon seit Tagen hatten die Veteranen die Straßenverbindungen zwischen der kroatischen Hauptstadt Zagreb und Split unterbrochen – pikanterweise in der Region Krajina, wo vor zehn Jahren mit der so genannten „Revolution der Baumstämme“ der Krieg in Kroatien begonnen hatte. Damals hatten serbische Extremisten die Straßenverbindungen blockiert.

Gegen den vor zwei Monaten aus der Armee entlassenen Norac wird sowohl vom Kriegsverbrechertribunal in Den Haag als auch von der Staatsanwaltschaft in Rijeka ermittelt. Ihm wird vorgeworfen, bei den Kämpfen in Gospić im Sommer 1991 an der Ermordung von 40 serbischen Zivilisten beteiligt gewesen zu sein.

Die Demonstranten in Split forderten von der Regierung, die Ermittlungen gegen Norac einzustellen und die Kooperation mit Den Haag einzustellen. Ihre Schmährufe richteten sich auch gegen Präsident Stipe Mesić, der wiederholt – so auch in der taz – die Bestrafung von Kriegsverbrechern gefordert und die Zusammenarbeit Kroatiens mit dem Tribunal betont hatte.

In einer Stellungnahme erklärte Premierminister Ivica Racan, Proteste gegen die Regierung seien in einer Demokratie ein normaler Vorgang, solange sie friedlich verliefen. Die Blockaden jedoch verstießen gegen die öffentliche Ordnung. Die Regierung werde Maßnahmen ergreifen, die einen freien Reiseverkehr ermöglichten. Auch Präsident Mesić, der zugleich Oberkommandierender der Armee ist, enthielt sich scharfer Töne. Er hob sogar die Verdienste Norac’ im Kriege hervor, insistierte jedoch darauf, dass der Exgeneral vor Gericht zu erscheinen habe.

ERICH RATHFELDER