Lavierende Anarchisten

Als Befreiung noch möglich war und Weltpolitik einfacher: „Do it“ (Forum) dokumentiert zurückhaltend die Geschichte einer Revolutionären Zelle in Zürich

Sabine Gisigers und Marcel Zwinglis Porträt einer revolutionären Zelle, die sich 1970 in Zürich gründete und bis zu ihrer Entdeckung 1975 aktiv war, beginnt wie fast alle 68er-Filme: Bilder aus dem Vietnamkrieg, Bilder von amerikanischen Polizisten, die auf hippieeske Vietnamdemonstranten schießen, alte Super-8-Bilder junger Leute, die gleich darauf in ihrer gegenwärtigen Verpuppung auftauchen. Sie denken zurück, die damaligen jungen Kämpfer, die sich 1970 entschlossen, Helden zu werden.

Da waren Daniele von Arb, Petr Egloff und Urs Städeli grade sechzehn, als sie nach der Erörterung der Lage mit dem Töfftöff und so rififimäßig begannen. Später räumten sie unzureichend gesicherte Armeedepots leer, belieferten ähnlich gesinnte Gruppen aus Spanien, Griechenland, Italien, Deutschland sowie die palästinensische Befreiungsfront mit Waffen oder verübten kleinere Sprengstoffanschläge auf die Vertretungen der spanischen Faschisten. Auch die Entführung des spanischen Generalkonsuls war angedacht.

1975 flog die Gruppe, die anders als die RAF keine Morde zu verantworten hatte, aufgrund eines Tips des iranischen Geheimdienstes Savak an die Schweizer Bundesanwaltschaft auf. Die verhafteten Anarchisten lavierten zwischen Aussagen – um nicht den schönen Isolationsmärtyrertod im Knast zu sterben – und Schweigen.

Daniele von Arb, der Hauptheld von „Do it“, wurde 1977 in der Schweiz zu fünfeinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt. Die italienischen Behörden verurteilten ihn in seiner Abwesenheit dann noch wegen Sprengstoffschmuggels zu vier Jahren Zuchthaus und erließen einen internationalen Haftbefehl.

Während seiner Haftzeit verlor von Arb den Glauben an die Revolution. Nach der Entlassung schloss er sich einer spiritistischen Gruppe um das US-amerikanische Trancemedium Bob Chrzan an und verliebte sich in dessen Assistentin. Als er die beiden in Süddeutschland besuchen will, wird er aufgrund des italienischen Haftbefehls nochmal verhaftet, nach zwei Monaten aber wieder in die Schweiz entlassen.

Doch die Vergangenheit lässt ihn nicht los: Als er 1986 nach Indien fliegt, wird er am Flughafen zum dritten Mal verhaftet und zwei Monate aufgrund eines internationalen Haftbefehls, von dem er keine Ahnung hatte, festgehalten.

Eine wilde Geschichte also aus einer Zeit, in der die Weltpolitik noch einfacher war und Befreiung möglich schien, in der der freie Westen noch mit den faschistischen Regimen aus Griechenland, Portugal, Spanien zusammenarbeitete, politische Helden popkompatibel und Pophelden politikkompatibel waren. Die Bilder, die anarchistischen Ideologeme und das ganze größenwahnsinnige Befreiungspathos sind einem vertraut, auch wenn man in den Siebzigerjahren erst Teenager war.

„Do it“ ist ein zurückhaltender und lehrreicher Film mit vielen interessanten Geschichten. Er tappt weder in die Verklärungs- noch in den Moralisierungsschwachsinn der derzeitigen Debatte. Die Zeit, von der er erzählt, wirkt unglaublich fern, so dass der Blick ganz sehnsüchtig wird. Viele werden es schlimm finden, dass Daniele von Arb, der ehemalige anarchistische Kämpfer, mittlerweile Hellseher ist und in Zürich eine Praxis für „mediale Zukunftsberatung“ führt. Als sei es menschenfreundlicher, Bomben zu legen oder Jugoslawien zu zerbomben. DETLEF KUHLBRODT

„Do it“. Regie: Marcel Zwingli. Schweiz, 97. Min