„Ein Langhaarfoto wäre schön“

Die „Henriette“ lädt Alt-68er für ein Wochenende zur kostenlosen Hotelbesetzung. Geschäftsführer Max-Michael Schlereth hofft auf gewaltfreie Gäste. Dafür gibt es auch weder Polizei noch Che-Poster in nicht kommunegeeigneten Doppelzimmern

Interview: STEFAN KAISER

taz: Herr Schlereth, Sie wollen Aktivisten der 68er-Generation für das letzte Februar-Wochenende in ihr Berliner Hotel einladen. Ist das nur ein Werbegag oder kommen wirklich 68er?

Max-Michael Schlereth: Wir werden darauf achten, dass wirklich nur 68er kommen. Das Geburtsdatum muss stimmen. Sprich: Das kann nur Jahrgang 1950 minus x sein. Und wenn es vor 1940 ist, wird es natürlich auch unglaubwürdig. Natürlich hat es auch einen Marketing-Effekt, aber eben auch eine Message. Die aktuelle Debatte um die 68er ist ein wenig überpolarisiert. Deshalb lassen wir unser Hotel besetzen, nehmen das alles mit einem Augenzwinkern.

Muss man einen 68er-Test absolvieren oder gar Fotos mit Stein und Helm mitbringen?

Aber nein, um Gottes Willen. Wenn uns einer unbedingt Beweisfotos mit Stein und Helm schicken will, kann er das gerne machen. Aber wir sind eigentlich für eine gewaltfreie Geschichte und wollen militante Leute auch nicht drinhaben. Ein Foto mit langen Haaren wäre natürlich schon schön, damit man sieht, ob jemand zu der Zeit nicht zufällig im RCDS war.

Haben Sie schon Zusagen, etwa von Rainer Langhans und seinem Harem?

Bisher nicht. Und ich muss ehrlich sagen, so große Suiten haben wir auch wieder nicht.

Heißt das, ihr Hotel ist nicht WG- oder kommunegeeignet?

Es hat hauptsächlich Doppelzimmer. Aber die 68er sind ja mittlerweile 50 und älter. Ich gehe nicht davon aus, dass sie in kommuneähnlichen Verhältnissen residieren wollen.

Folglich hängen Sie auch keine Che-Poster in die Toiletten?

Das hatten wir eigentlich nicht vor. Und auch die Cocktails brennen bei uns definitiv nicht. Die werden ganz normal sein. Es wird da nichts mit dem Namen Molotow oder B 52 ankommen. Wir wollen weder die eine noch die andere Seite übermäßig provozieren. Vielleicht hängen wir ein paar Transparente auf.

Ist die Hausbar denn wenigstens mit adäquaten Rauchwaren ausgestattet?

Nein, wir wollen uns da im Rahmen der Legalität bewegen.

Haben sie eigentlich einen persönlichen Bezug zu 1968?

Ich gehöre zur Generation Golf, bin aber durchaus politisch interessiert. Offen gestanden ist mir die Idee bei einer der vielen politischen Sendungen und Diskussionen gekommen.

Sie versprechen eine Hotelbesetzung, aber ganz ohne Polizei. Wollen Sie die 68er brüskieren?

Sie meinen also, ich sollte noch ein paar Polizisten reinholen. Das hatten wir eigentlich nicht vor. Wir haben zwar auch eine Putztruppe, die macht aber nur die Zimmer sauber. Ich glaube auch nicht, dass sich ein heute 50- bis 60-Jähriger brüskiert fühlt, wenn keine Polizisten da sind, gegen die er kämpfen kann. Deswegen konzentrieren wir uns auch auf die 60er-Jahre und versuchen das im Sinne von kulturellem Aufbruch, für den diese Generation ja auch steht, anzugehen. In den 70ern wollen wir erst gar nicht landen.

Also sind Ihnen die Aktivisten der 70er, wie Fischer und Trittin, nicht willkommen?

Doch natürlich. Gerade jemand wie Fischer, der auf seine Art und Weise im Geiste ja auch für Veränderungen stand und mit diesem Veränderungswillen auch bei sich selbst nicht halt gemacht hat, ist herzlich willkommen.

Wie sieht das Rahmenprogramm aus? Eine Demo gegen das Establishment, das sich normalerweise im Hotel einquartiert?

Wenn ich auf die Altersklassen schaue, die normalerweise im Hotel wohnen, passt das ohnehin ganz gut zusammen. Man könnte jetzt sagen: Wer in der „Henriette“ pennt, gehört jetzt zum Establishment.

Max-Michael Schlereth jun., 28, ist Geschäftsführender Gesellschafter der DeragHotels & Apartment-Residenzen. Zu dieser Kette gehört auch das Hotel „Henriette“ in Mitte