Wenn die Präzedenzfalle zuschnappt

Nach einem Beitrag über ETA und Baskenland: In Madrid protestieren die Mitarbeiter des TV-Senders gegen Zensur

Die Journalisten und Techniker des Regionalsenders Telemadrid gingen gestern auf die Straße. Sie werfen der konservativen Regionalregierung von Madrid vor, die Inhalte des öffentlichen Fernsehsenders zensieren zu wollen.

Am Dienstag war der Direktor des Hauses, Silvio González, des Amtes enthoben worden. Er hatte der Ausstrahlung der Reportage „Die Wege des Baskenlandes“ zugestimmt. Journalisten lobten den Beitrag „als das Beste, was es zum Thema bisher im Fernsehen gab“. Der Regionalregierung freilich war das Programm nicht „entschieden genug gegen den Terrorismus gerichtet“.

„Wir glauben fest daran, dass der Bürger reif genug ist, um die ernsten Themen zu verstehen“, verteidigt die inzwischen ebenfalls zurückgetretene Nachrichtenchefin Elena Sánchez das Programm. Die sozialistische und kommunistische Opposition unterstützt die Telemadrid-Mitarbeiter in ihren Protesten. Sie vermutet, dass Regionalpräsident Alberto Ruiz Gallardón von seinem Partei- und Regierungschef José Maria Aznar zur Entlassung des Programmdirektors aufgefordert wurde. „Die Entlassung des Direktors ist ein schwerwiegender Präzedenzfall im Umgang mit der Informationsfreiheit“, heißt es in einem Kommuniqué betroffener Mitarbeiter.

Genau hier liegt das Problem. Die spanischen öffentlichen Anstalten sind reine Staatssender. Im Aufsichtsrat sind nur die Parteien vertreten, und zwar entsprechend ihrer Parlamentssitze. Die Regierungsmehrheit hat damit die Sender immer fest in der Hand. „Ob wir das ändern wollen? Nein. Irgendwann sind wir auch wieder an der Regierung, und dann nutzt uns das“, erklärte einmal der Sprecher der sozialistischen Opposition im Aufsichtsrat von Televisión Española. RAINER WANDLER