Kontrollierte Arznei

Bluterorganisation in den USA kündigt nach Streit Zusammenarbeit mit der Bayer AG auf. Konzern fordert Patientendaten für teures Medikament

von PHILIPP MIMKES

Die amerikanische National Hemophilia Foundation (NHF), die die Interessen von 14.000 Blutern in den USA vertritt, beendet jegliche Zusammenarbeit mit dem Pharmaunternehmen Bayer. Alle Spenden des Leverkusener Konzerns an die Stiftung wurden zurücküberwiesen. Hintergrund des Zerwürfnisses ist eine neuartige Vermarktungsstrategie für das Blutfaktor-Präparat Kogenate FS. Bayer möchte selbst entscheiden, welche Patienten mit dem Gerinnungsmittel beliefert werden, und zieht das Medikament aus dem freien Handel zurück. In Zukunft soll Kogenate FS nur noch an Direktabnehmer verkauft werden, die dem Unternehmen ihr Alter, die Krankheitsgeschichte und die Art ihrer Krankenversicherung mitteilen. Bayer ist Alleinanbieter für diese Art von Gerinnungsfaktoren, die Nachfrage übersteigt das Angebot bei weitem.

„In Zukunft entscheidet die teuerste Versicherung darüber, wer eine Behandlung erhält“, protestiert Mark Skinner, Präsident der NHF. „Für Bayer scheint die Profitrate wichtiger zu sein als die Hilfe für schwerkranke Menschen.“ Jordan Lurie, Chefanwalt der NHF, ergänzt: „Der Exklusivverkauf lebenswichtiger Medikamente verletzt die Rechte der Patienten. Entscheidungen über die richtige Form der Behandlung müssen von Betroffenen und ihren Ärzten gefällt werden, nicht von Unternehmen.“

Die Stiftung, die von den staatlichen Behörden Food and Drug Administration und Center for Disease Control finanziert wird, befürchtet eine weitere Verknappung der Faktor-Präparate und höhere Preise aufgrund der Monopolstellung des Anbieters – schon heute geben Hämophile jährlich bis zu 150.000 US$ für ihre Behandlung aus. Besonders ältere Betroffene, die auf die staatlichen Programme Medicare und Medicaid angewiesen sind, könnten leer ausgehen. Die NHF kritisiert in einem offenen Brief an Bayer zudem den Besitz vertraulicher Patientendaten durch das Unternehmen sowie die Risiken für Notfallpatienten, die in Krankenhäusern keine Blutgerinnungsmittel erhalten können. Sprecher von Bayer betonen, dass persönliche Daten nicht zweckentfremdet werden und dass der Zugang zu Medikamenten nicht vom Status der Krankenkasse abhänge. Doch die Meinung der amerikanischen Bluter bringt Jane Hamilton, Vorsitzende der zweiten großen Bluter-Vereinigung Hemophilia Federation of America, auf den Punkt: „Niemand von uns vertraut Bayer.“

In den 80er-Jahren hatte sich die Mehrheit der Hämophilen in den USA mit Hepatitis C infiziert, 40 Prozent der Patienten wurden außerdem mit HIV angesteckt, obwohl Experten jahrelang auf die Risiken hingewiesen hatten. Schon damals war Bayer Weltmarktführer für Blutprodukte.