restrauschen
: Radio forever

Raymond Federman sollte man nicht einfach nur lesen – man muss ihn eigentlich als Performer erleben. Doch da sein vielseitiges Temperament orchesterunterstützt auch mediale Barrieren durchbricht, sei der Mitschnitt seines letzten Auftritts empfohlen. Michael Riessler komponierte im Auftrag von „musica viva“ und des Bayerischen Rundfunks das Eröffnungskonzert der diesjährigen Münchener Biennale. Literarische Vorlage war Federmans bisher unveröffentlichter Roman „Loose Shoes“.

Man muss sich dazu vorstellen, wie der Siebzigjährige dynamisch auf die Bühne hüpft, sich im Musikerensemble platziert und sogar stumm eine ungeheure Energie ausstrahlt. Federman bezeichnet sich selbst gern als ungeschickten Clown, dessen Lebensaufgabe vor allem darin besteht, gegen Tod und Vergessen seiner in Auschwitz ermordeten Familie anzuarbeiten. Und immer wieder eine neue, unverbrauchte Form dafür zu finden – obwohl er einer Generation von Schriftstellern angehört, die im Bewusstsein des „alles schon dagewesen“ schreiben.

Er nahm sich 1996 vor, „gymnastics of the mind“ zu praktizieren und jeden Tag eine Seite zu verfassen – egal was. So entstand „Loose Shoes“. Wie immer geht Federman auch hier seinem Pensum spielerisch nach, dadaistisch, gerne auch grafisch. Wobei hinter harmlosen Figuren – wie im Prosastück „The Lunch“ – stets ein Abgrund lauern kann, in diesem Fall die Beschreibung der Deportation.

Das Ganze erinnert nur vordergründig an die gute alte Konzeptkunst, es ist eine lockere Genre- und Materialsammlung, die von Riessler wie eine Spielanweisung beantwortet wird. Auch seine Komposition bewegt sich mitreißend zwischen den Genres: Freejazz, Ethnojazz, Jazztango, Jazz-Sprechoper. Und die Stimme des begeisterten Autors ist sein 19. (!) Instrument. „I could have gone on forever“, wird Federman später schwärmen. Warum? Weil Jazz die Liebe seines Lebens ist. (Bayern 2, Sa, 22.05 Uhr)

GABY HARTEL

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Migranten ohne Papiere arbeiten schon jahrelang in Frankreich, zahlen Steuern und Sozialabgaben. Vor fünf Jahren wurden sie für illegal erklärt. Die Protestbewegung der „sans papiers“ gegen die Ausweisungsdrohung wurde von vielen Franzosen unterstützt. Ministerpräsident Jospin versprach, den Status der Arbeiter auf Antrag zu legalisieren. Name, Adresse und Arbeitsstelle sollten der Polizei nicht mitgeteilt werden. Inzwischen nutzt die Polizei genau diese Daten, um Arbeiter ohne Papiere am Arbeitsplatz festzunehmen und auszuweisen. „Das gebrochene Versprechen (DLF, Di, 19.15 Uhr)

Hörspiel-Krimi als fiktive Rückblende: Durch den bevorstehenden Regierungsumzug boomt die Baubranche in Berlin. Doch die Bauarbeiter sind unzufrieden, weil sie zunehmend durch ausländische Schwarzarbeiter ersetzt werden. Plötzlich ist der Chef der Leiharbeitsfirma tot. Polier Bott macht seinen Kollegen klar, dass die eigentlichen Gegner drei Hierarchiestufen höher zu finden sind. Und so hecken die Bauarbeiter zur feierlichen Eröffnung des Freizeitpavillons für gestresste Abgeordnete einen Plan aus: Einen revolutionären „Abriss“. (DLR, Mo, 19.05 Uhr) SILL