Türkische Eltern reklamieren ihr Recht

■ 600 Protestunterschriften gegen die Kürzung des muttersprachlichen Unterrichts in Bremer Grundschulen: In Bremen startet eine selbstorganisierte Aktion besorgter Elternvertreter

Ihren lockeren Zusammenschluss haben sie „Eltern aus der Türkei“ genannt. Geboren sind die meisten zwar in Bremen, Türkisch ist jedoch ihre Muttersprache. Gestern übergaben rund 50 von ihnen, zusammen mit zahlreichen Kindern, einen dicken Stapel Protestunterschriften im Bildungsressort am Rembertiring, weitere sollen jetzt gesammelt werden. „Hände weg von meiner Muttersprache“ steht dick über den Forderungen der Eltern. Statt der im nächsten Schuljahr geplanten Verringerung um 25 Prozent verlangen sie eine Ausweitung des muttersprachlichen Unterrichts in Bremen, die Einstellung türkischsprachiger LehrerInnen und die uneingeschränkte Fortsetzung des Förderunterrichts in Deutsch.

Zum ersten Mal haben sich in dieser Initiative unabhängig von Parteien und Verbänden türkische BremerInnen zur Stärkung ihrer Interessen selbst organisiert. So wusste zum Beispiel die SPD-Ausländerpolitikerin Gule Iletmis gestern noch gar nichts von der Aktion. Mehrere türkischsprachige ElternvertreterInnen an Grundschulen im Bremer Westen waren von den Kürzungsplänen aufgeschreckt worden und hatten sich dann auf eigene Faust in der ganzen Stadt nach Bündnispartnern umgesehen. „Nur wenn unsere Kinder gut Türkisch sprechen, können sie auch richtig Deutsch lernen“, sagte eine der besorgten Mütter gestern und wiederholte damit eine Erkenntnis, die in der Sprachdidaktik inzwischen unbestritten ist.

Bei Werner Willker, dem für Ausländerintegration zuständigen Referenten im Bildungsressort, stießen die Eltern bei der Unterschriftenübergabe auf offene Ohren. „Ich kann auch im Namen von Willi Lemke sprechen, wenn ich Ihnen sage, dass ich mich sehr über Ihre Initiative freue“, sagte er und nannte zwei weitere Gründe für die Bedeutung muttersprachlichen Unterrichts. Echte türkisch-deutsche Zweisprachigkeit sei eine wichtige Qualifikation auf dem Arbeitsmarkt. Und die in Bremen übliche Verzahnung von muttersprachlichem mit normalem Unterricht sei ein wichtiger Beitrag zur „interkulturellen Erziehung“. Mit ihrem Protest würden die türkischen Eltern die Position des Bildungsressorts im Senat stärken.

An 18 Bremer Schulen werden Kinder bisher in Türkisch, Kurdisch und Polnisch muttersprachlich unterrichtet. Bisher standen dafür vier Wochenstunden zur Verfügung, im nächsten Schuljahr soll davon eine Stunde gestrichen werden. Einige Schulen hielten diese Kürzung aus pädagogischen Gründen sowieso für sinnvoll, erklärte Referent Willker gestern der Protestversammlung. Selbst einige türkische Eltern hätten sich über den vierstündigen Zusatzunterricht für ihre Kinder beschwert, uns sogar mit einer Klage gedroht. Und in der Sekundarstufe II werde der Türkisch-Grundkurs in Gröpelingen im nächsten Schuljahr wohl nicht zustandekommen. Bisher hätten sich nur fünf SchülerInnen dafür angemeldet. „Unterstützen Sie Ihre Kinder in der Zweisprachigkeit“, riet Willker deshalb den Eltern.

Als einziges Bundesland bietet Bremen den muttersprachlichen Unterricht in der Grundschule nicht als Zusatzkurs am Nachmittag an, sondern integriert ihn in den normalen Stundenplan am Vormittag. 4.500 türkischsprachige Kinder gibt es an Bremer Schulen, gut 600 Eltern haben die Aktion der „Eltern aus der Türkei“ bereits mit ihrer Unterschrift unterstützt.

Viele von ihnen haben sich damit zum ersten Mal politisch in Deutschland zu Wort gemeldet, sicherlich aber nicht zum letzten Mal: Vater Mehmet Albayrak zog gestern bei der Protestversammlung plötzlich seinen nagelneuen deutschen Personalausweis aus der Tasche und bat Referent Willker: „Erinnern Sie Herrn Lemke daran, dass wir uns spätestens bei der nächsten Wahl wiedersehen.“ Ase