In die Lücke hineingelobt

Die 555-Acts Steward und The Remote Viewer auf der Insel

Wenn schon nicht kaputt, dann sollte sie wenigsten billig sein, die Anlage, auf der man die Platte abspielen soll. So steht es auf der Hülle von Stewards Album „Good bye to everything you love“. Enthalten sind darauf an die zwanzig Stücke zwischen Krach und lieblichen Melodien. Und insbesondere bei letzteren spürt man die Vergangenheit von Stewart Anderson, der Steward ist, als Mitglied der Band Boyracer, die beim letzten und echtesten aller englischen Indiepop-Labels, nämlich Sarah, ihre Platten herausbrachte.

Anderson hat sich jetzt seinen eigenen Kosmos gebastelt. Nicht nur mit Steward, sondern auch mit seinem Label 555 Recordings. Die Musik, die hier erscheint, kümmert sich nicht um die aktuellen Trends und ist nicht angefeuert von der Ambition etwa von FatCat, einer Londoner Firma, die musikalisch durchaus Ähnliches zu bieten hat. Bei 555 geht der Chef noch selbst zum Postamt und verschickt die meist in schweres Vinyl gepresste Liebhabermusik von Leeds aus in alle Welt. Um die Sache nun ein wenig anzukurbeln, geht Stewart jetzt auf Tour, zusammen mit derzeitigen Renommierprojekt des Labels, dem Duo The Remote Viewer.

Die werden von der britischen Presse schon in die Lücke zwischen Autechre und Mouse On Mars hinein gelobt. Als ob an dieser Stelle derzeit Mangel herrschen würde. Vielmehr kommt im Moment gerade aus Großbritannien und den USA eine Schwemme von Projekten über uns, die es sich zwischen Lofi-Elektronik, rough bearbeiteten Samples, Ambient-Dröhnen und Breakbeats sehr gemütlich gemacht haben. Dies sei nur als Relativierung der überall abgedruckten Vorschusslorbeeren vorausgeschickt und damit niemand von dem Liveauftritt der beiden jungen Männer eine Revolution erwartet.

Eine eigene Qualität – das zeigt die aktuelle, selbst betitelte EP deutlicher als das im letzten Jahr erschienene Album – bekommen die Stücke von The Remote Viewer immer dann, wenn sie auf großen Bögen beruhen und sich das Duo nicht auf die Präsentation kleiner Ideen beschränkt.

Was dann auf den ersten Blick wie nette Hintergrundmusik erscheint, tritt allmählich durch unmerkliche Rhythmuswechsel und Verschiebungen der Basslinie in den Vordergrund. Dass einem dann immer noch die vordergründige Jungmänner-Melancholie der fragil gebauten Musik stören mag, steht außer Frage. Aber ein Liveauftritt ist ja immer eine gute Gelegenheit, gerade derartige Einwände aus dem Weg zu räumen.

Martin Pesch

Heute, ab 22 Uhr, Insel, Alt-Treptow 6, Treptow