Montserrat Caballé interpretiert Madonna

■ Glanzpunkte und Absurditäten des Musiktheaters über fünf Oktaven: Die New Yorker Drag-Queen Shequida erstaunt und beglückt im Schmidt mit einer Opernlehrstunde

Immer öfter kommen amerikanische Drag-Queens nach Deutschland, um dem hiesigen Publikum ihre Kunst zu zeigen. In den letzten Jahren überzeugten Sherry Vine und Joey Arias mit ihren Jazzarrangements. Nun lud Shequida, stimmgewaltige Drag-Queen aus New York, zur Opernlehrstunde ins Schmidt. Die Ankündigungstexte überschlugen sich mit Superlativen: der schillerndste Stern am New Yorker Nachthimmel, an den besten New Yorker Opernschulen ausgebildet, als Sängerin, Tänzerin und Model unterwegs. Dazu ein Programm zwischen Händel und Bernstein. Das versprach sehr viel.

Und tatsächlich: Shequida ist eine Sensation. Wenn die äußerst charmante Drag-Queen ihren Zuschauern und -hörern Lektionen zum Thema Oper erteilt, bezaubert sie schon mal durch ihr entzückendes „denglish“. Gemütlich plaudernd, hangelt sie sich von Arie zu Arie und beleuchtet die vielen Glanzpunkte und ebenso vielen Absurditäten des Musiktheaters. Und wenn sie eine Abschiedsarie an einen kleinen Tisch anstimmt oder als Montserrat Caballé Madonna interpretiert, gibt es für den Opernfan wie für den Opernfeind gleichermaßen viel zu lachen.

Absolut überragend sind Shequidas mit nur wenigen Gesten auskommende Parodien legendärer Diven wie Jessey Norman oder Maria Callas. Sie weiht uns in die großen und kleinen Geheimnisse der Opernwelt ein, erklärt die „Pavarotitis“, zeigt die Zusammenhänge zwischen Chicken und Mozart auf und verrät die wahre Bedeutung diverser Libretti.

Beeindruckend ist die Stimmgewalt der Drag-Queen, die im wirklichen Leben als Bariton ausgebildet wurde, auf der Bühne aber fast zwei Stunden lang Sopranarien zum Besten gibt. Über fünf Oktaven reicht ihre Stimme. Auch wenn in der zweiten Hälfte der Show hin und wieder der stimmliche Ansatz leicht verrutscht, tut das dem Genuss keinen Abbruch. Aber man ahnt, welch stimmliche Schwerstarbeit sich hinter der perfekten Fassade verbirgt. Makellos gewandet, steht Shequida auf der Bühne und sagt lächelnd ins Publikum: „Amazing, ain't I?“ Wer würde ihr widersprechen? Und wenn die geborene Jamaikanerin beziehungsweise der geborene Jamaikaner wie nebenbei noch spitze Bemerkungen zur Situation in Österreich fallen lässt, weiß sie respektive er auch die politischen Sympathien im Saal auf ihrer – oder seiner – Seite.

Shequida wird von dem Tenor Chan Harris begleitet, der die eigentlich undankbare Rolle im Schatten einer Diva mit viel Charme ausfüllt. So verwandelt er die „Maria“-Arie aus der West Side Story kurzerhand in eine „Shequida“-Arie, und bei ihrem gemeinsamen Duett „One Hand, One Heart“ wird es einem sogar richtig warm ums Herz. Daniel Plettenberg

noch 16. bis 19. Februar, 20 Uhr, Schmidt