Der erste Hamburger Jung

Dauerausstellung im Helms-Museum dokumentiert das Leben in der Metropolregion von der Steinzeit bis zum Mittelalter  ■ Von Hajo Schiff

Seine mittelalterliche Geschichte hat Hamburg gerade mit zwei Ausstellungen und mehreren Büchern neu entdeckt. Noch einmal 37.000 Jahre weiter zurück geht ab heute das Helms-Museum in Harburg. Dort grüßt Hamburgs „ältes-ter Einwohner“, der Neandertaler von Hahnöfersand, die Besucher einer neuen archäologischen Dauerausstellung mit Schätzen von der Steinzeit bis zum Mittelalter.

Das Modell des Frühmenschen mit den starken Augenwülsten, dem kräftigen Gebiss und den großen Händen zeigt, wie der Mann vermutlich aussah, dessen Schädel 1973 auf der Elbinsel entdeckt wurde. Es war der bisher nördlichste Fund seiner Art. Schon bedrängt von ihren Vettern, unseren Vorfahren namens Homo Sapiens Sapiens, lebten die Neandertaler hier an der Südgrenze des dauernden Eispanzers etwa dreitausend Jahre, bevor sie etwa 33.000 vor Christus endgültig ausstarben. Ihre altsteinzeitlichen Werkzeuge füllen jetzt die Vitrinen des Museums. Ein 17 Meter breites Wandbild zeigt Szenen aus dem Leben der weit jüngeren eiszeitlichen Rentierjäger: Hier muss bloß 15.000 Jahre zurückgedacht werden.

Die Konfrontation des modernen Besuchers mit so weiten Zeiträumen macht sicher eine der Faszinationen der Ausstellung aus. Knapp zehn Jahre lagerte dieser Aspekt von Hamburgs Vergangenheit aus Platzmangel im Archiv. Jetzt breiten sich auf 1600 Quadratmetern Flintwerkzeuge und Bronzeschwerter aus, ein rituelles Pferdeopfer und ein Rennofen zum Ausschmelzen von Eisenerz, einheimische Tontöpfe und römisches Importgold. Die Präsentation ist ausgesprochen sachlich: Sechzig blassblaue Vitrinen bergen je einen Fundzusammenhang oder sind einem Thema gewidmet, das mit nur einem Text an der Rückwand zusammenfassend erläutert wird.

„Die Begegnung mit dem Original ist das Wichtigste im Museum“, begründet Direktor Ralf Busch diese Zurückhaltung. Reißerische Animationen gäben viel zu oft ein nur scheinbar präzises Bild von Zeiten, über die auch die Wissenschaftler weniger wissen, als es so oft den Anschein hat. Und im Übrigen fehlt für theatralische Effekte einfach das Geld.

Aber was ist schon Geld. Wenn unsere germanischen Ahnen es als Söldner in der römischen Armee zu etwas gebracht hatten, bekamen sie mit Glück Goldmünzen ausgezahlt. Aber einen Geldverkehr gab es noch nicht. So wurde das Münzgold eingeschmolzen und zu Schmuck verarbeitet. Die Vitrine mit diesen Stücken ist ein glänzender Höhepunkt, der noch unterstützt wird durch den massiven Halsring aus Schnelsen, der 1856 ins Schleswig-Holsteinische Landesmuseum gelangte und hier als Leihgabe zu sehen ist.

Das jüngste Exponat von allen ist ein vollständig erhaltenes, grobschlächtiges Holzrad eines Ochsenskarrens. Solche Teile sind nur sehr selten erhalten, da Holz meist verbrannt wurde oder verfaulte. Das Rad stammt aus dem 14. Jahrhundert – womit dann das Mittelalter wieder erreicht wäre. Die Ausstellungseröffnung wird heute Abend entsprechend gefeiert mit prähistorischer Luren-Musik, barocken Germanenopern und einer Rede der aktuellen Kultursenatorin.

Die Eröffnungsfeier beginnt um 18 Uhr im Helms-Museum, Museumsplatz 2. Die Archäologische Dauerausstellung residiert am Harburger Rathausplatz 5 und ist geöffnet Di-So 10-17 Uhr. Freitags halber Eintritt