Große Koalition: „An einem Strang“

■ Berlin schwärmt vom „Bremer Modell“ / Interview mit Peter Stadtmüller, Sprecher der SPD-Fraktion im Berliner Parlament

taz: In Berlin war in den Verhandlungen um die Neuauflage Ihrer Großen Koalition immer vom „Bremer Modell“ die Rede, an dem Sie sich ein Vorbild nehmen wollten. Was stellen Sie sich darunter vor?

Peter Stadtmüller, Sprecher der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus: Wir stellen uns das nicht vor, wir stützen uns auf das, was wir über Bremen wissen. Und das besagt, dass es in Bremen bei der Großen Koalition eine insgesamt recht konstruktive Zusammenarbeit gibt mit viel weniger fast täglichem Gezänk und Hickhack als wir das die letzten vier Jahre in Berlin praktiziert haben – uns, die SPD, auch eingeschlossen. Und dass in den großen Sachfragen wie der Haushaltskonsolidierung die beiden Fraktionen, Parteien und Protagonisten auf der Regierungsebene an einem Strang ziehen.

Beim letzten Wahlergebnis in Bremen hat man dann ja auch gesehen, dass beide Parteien vom Wähler nicht abgestraft, sondern insgesamt honoriert wurden für eine vergleichsweise konstruktive Arbeit zum Wohle der Stadt Bremen. Das ist es schon: Die Koalition nicht als einen schweren politischen Schicksalsschlag ansehen, sondern als eine Chance, wirklich was zu gestalten. Der Wähler hat's so gewollt, auch hier in Berlin. Und dann muss man es positiv angehen.

Wie kommen Sie bloß darauf? Da sagt zum Beispiel Bremens Bürgerschaftspräsident Weber (SPD) über Innensenator Schulte (CDU): „einfach nur Unfug“, „Beleg von Hilflosigkeit“ usw. Daraufhin erklärt der CDU-Fraktionsvorsitzende Eckhoff: „Bevor Herr Weber sich weiter zu Themen äußert, die ihn nichts angehen, sollte er lieber aufpassen, dass er seine Verpflichtungen einhält und die Termine abarbeitet, bei denen er auch zugesagt hat. Pflicht geht vor Kür, und schon dabei versagt Herr Weber häufiger.“ Das ist O-Ton der Bremer Großen Koalition; warum ist bloß ihr Image so gut?

Da ist offenbar das Image besser als die Realität bei Ihnen. Aber wir stützen uns – das müssen wir schon zugeben – auf das, was wir über Bremen gelesen haben. Und das schien uns doch irgendwo eine konstruktive Angelegenheit mit positiven Wahlergebnissen zu sein, wo Bürgermeister Scherf den Finanzsenator Perschau auch maßgeblich unterstützt hat. In Berlin hat ja Eberhard Diepgen oft unsere Finanzsenatorin im Stich gelassen. Unser Bedürfnis, das Bremer Modell nachzuahmen, resultiert also aus der Zeit, wo wir das gesehen haben.

Wir hatten uns Politik immer als konstruktiven Streit vorgestellt. Davon erleben wir wenig in Bremen.

Wir wollen ja jetzt auch um Gottes Willen nicht die inhaltlichen Unterschiede zwischen den beiden großen Parteien verwischen. Aber das Grundverständnis, wie man an eine solche Aufgabe herangeht, fanden wir in Bremen vorbildlich oder erstrebenswert. Natürlich können wir hier nicht über die Einzelheiten des politischen Alltags in Bremen informiert sein.

Aber da gab es doch die schönen Bilder wie Perschau und Scherf sich regelmäßig trafen als wandelnde Konfliktvermeidungsinstanz. Sicher stellt das nicht eine super-demokratische Legitimation dar, weil es ja nur zwei Personen sind. Aber alles das, was so rüberkam, das schien uns vernünftig. Und das wurde übrigens auch von der CDU so gesehen. Der Fraktionsvorsitzende Landowski hat drei Tage nach der Wahl in der „Welt“ ein Interview gegeben, eine ganze Seite, da hat auch er vom Bremer Modell geschwärmt.

Haben Sie mal Leute losgeschickt, um zu erkunden, was in Bremen wirklich passiert?

Na ja, die Koalitionsvereinbarung haben wir uns kommen lassen. Aber was wir daraus geschlossen haben, weiß ich nicht mehr. Es kann ja auch durchaus sein, dass in einigen Jahren die Bremer sagen: Also, das Berliner Modell ist überhaupt das Größte. Ich bin eben Optimist.

Fragen: Dirk Asendorpf