■ Berliner Siegerinnen: Nanette Fleig von der Satire-Partei KPD/RZ kommt ins Kreuzberger Bezirksparlament

Nanette Fleig ist für drastische Worte zu haben. „Die Wiedereinführung des bewaffneten Kampfes steht unmittelbar bevor“, warnte die frisch gewählte Bezirksverordnete von Berlin-Kreuzberg. „Die Hälfte meiner Partei will in den Untergrund gehen.“ Grund zu Panik besteht trotzdem nicht. Denn die Frau mit der blonden Punkfrisur war im Wahlkampf als Spitzenkandidatin der Satire-Partei „Kreuzberger Patriotischen Demokraten/Realistisches Zentrum“ (KPD/RZ) angetreten. Fleigs parlamentarischer Erfolg ist wohl einzigartig in der Bundesrepublik: Ihre Partei, eine Handvoll Kreuzberger, wirbt mit Absurditäten wie der „Legalisierung der Korruption“, einer Erhöhung der Hundesteuer um 700 Prozent oder einem „Ausgehverbot für Männer bei Temperaturen über 30 Grad“. Politik soll als das dargestellt werden, was sie in den Augen der KPD/RZ-Aktivisten ist: eine skurrile Show. Jetzt aber wird es ernst für Fleig, die sich mit abgebrochenen Studien in Chemie, Umwelttechnik, Englisch, Sport und Physik eine umfassende Allgemeinbildung angeeignet hat. Mit 1.950 Stimmen (4,2 Prozent) haben ihre Bewunderer die „Bezirksbürgermeisterin der Herzen“ (Eigenwerbung) in die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) gewählt. Die 30-Jährige hat nicht weniger versprochen, als dort „Kreuzberg vor den gierigen Klauen der blutsaufenden Diepgen-Momper-Bande zu retten“. Schon heute verdanken ihr die Kreuzberger die „Ausrottung von Pest, Ebola und Pocken“ im Bezirk. Jetzt aber ist ihr mulmig zumute. „Das wird ganz schön einsam werden da“. Nach Kreuzberg emigriert ist die gebürtige Saarbrückenerin 1993. Die KPD/RZ protestierte damals mit einer Lichterkette gegen die Einführung der neuen Postleitzahlen. Fleig: „Ich wusste sofort, das ist meine Partei!“ Im Bezirksparlament wird sie trotzdem als Parteilose sitzen. Denn die KPD/RZ-Führung hat bekannt gegeben, dass die Partei „wegen des überwältigenden Wahlsieges“ eine „demokratisch legitimierte Terrorkampagne“ plant. Und von der will sich Nanette Fleig „als Bezirksverordnete selbstverständlich distanzieren“.

Andreas Spannbauer, Berlin