Besonderes Merkmal: MdB, weiblich

Auch nach 50 Jahren Frauen im Deutschen Bundestag benötigt das Hohe Haus eine „Sonderveranstaltung“, um weibliche Gesetzgeberinnen zu würdigen. Ein Blick zurück  ■   von Heide Oestreich und Karin Nink

Berlin (taz) – Da brauchte man doch noch einen Termin für die Sitzung des Wirtschaftssausschusses. Die könnte man doch, auch wenn dies eigentlich gegen die guten Sitten des Hauses verstößt, ausnahmsweise parallel zur Bundestagsdebatte ansetzen. Schließlich ging es im Plenum nur um „Parlamentarierinnen in 50 Jahren Deutscher Bundestag“ – so sieht es aus, nach einem halben Jahrhundert Frauen im Parlament. Aber fünf Frontfrauen der weiblichen Belegschaft des Hohen Hauses, Monika Knoche, Ulla Schmidt, Rita Süssmuth, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Petra Bläss, drückten ihre „Sonderveranstaltung“ durch.

Dort wundert sich Exbundestagspräsidentin Annemarie Renger, dass „die Frauen noch so eine Sonderrolle spielen müssen“. Schließlich sei es doch eine Selbstverständlichkeit, dass Frauen in allen Bereichen aktiv sind. In dieser Veranstaltung spiegeln sich drei Haltungen, die die Frauenpolitik seit Jahren prägen: männliche Ignoranz, frauenpolitische Symbolsetzung, die scharf am Rande der Inhaltsleere agiert, und Frauen, die großzügig den öffentlichen Raum anderen überlassen und sich mit der Sacharbeit bescheiden.

So die ersten Bundestagsabgeordneten (MdB): Agnes Hürland-Büning (CDU), zum Beispiel, wurde nach Jahren in der Sozialpolitik schließlich parlamentarische Staatssekretärin im Verteidigungsministerium. Ihr erster öffentlicher Versprecher war frauenspezifisch: „Teilzeitstreitkräfte“ wurden aus den „Teilstreitkräften“ des Bundeswehr – hochaktuell eigentlich. Provokation fand nur aus Versehen statt – als etwa die Abgeordnete Lenelotte von Bothmer in den 70ern im Hosenanzug ans Rednerpult trat und damit einen Tumult auslöste. „Würdelos und unanständig“, befand das piefige Herrenhaus.

Das Ende der Bescheidenheit forderten nur Frauen auf der Straße, die Parlamentarierinnen hielten sich vornehm zurück und mühten sich um winzige Zugeständnisse im Ehe- und Familienrecht: Erst Ende der 70er Jahre brauchten Frauen nicht mehr die Genehmigung des Ehemannes, wenn sie arbeiten wollten. Mit öffentlichem Machtanspruch taten sie sich dagegen schwer. Lang und zäh war die Debatte in der SPD, bis sie 1988 eine 40-Prozent-Quote einführte. Gegen die Quote argumentierten auch – die Frauen. Mit einem vernünftigen Frauenförderprogramm könne man auf die künstliche Konstruktion verzichten, hofften sie – vergeblich. „Ich habe die Quote nie gemocht, aber ich gebe zu: Sie hat was erreicht“, schließt Annemarie Renger.

Die Sozialdemokratinnen rangen noch, da hatten die durchquotierten Grünen bereits ihr erstes Feminat, den männerfreien Fraktionsvorstand, hinter sich.

In den öffentlichen Raum treten, mit dem, was Privatsache schien, sich angreifbar machen – mit den Grünen veränderte sich auch der frauenpolitische Stil im Bundestag. Man konnte Abgeordnete stricken sehen und – weinen. Sie redeten über ihre Bäuche und darüber, was sie unter gutem Sex verstehen. Die Männer reagierten: die Reihen fester schließen, ausgrenzen, lächerlich machen.

Die Frauen im Parlament haben dazugelernt. Der alte Schlag der Sachpolitikerin, die findet, sie persönlich sei nicht diskriminiert, sondern protegiert worden – und gerade von Männern –, knallt inzwischen nicht mehr ganz so unvermittelt auf die feministischen Systemkritikerinnen, die den patriarchalen Bundestag nur mit Frauenselbsthilfegruppe überleben. In seltenen Glücksmomenten gelingt sogar die große Verschwesterung und bringt eine überfraktionelle Frauenmehrheit für einen halbwegs akzeptablen Kompromiss zum Paragrafen 218 zustande oder ein Gesetz zur Vergewaltigung in der Ehe auf den Weg.

Ignorieren als männliche Strategie droht an den 207 Parlamentarierinnen allmählich zu scheitern. Ob SPD-Frau Ulla Schmidt wohl deswegen gestern einen Staatssekretär für Männerfragen forderte?