Hessens SPD stellt sich 85-prozentig hinter ihren Sparkommissar Eichel

■ Bundes-Kürzungsminister muss sich beim Landesparteitag deutliche Worte anhören – wird als Parteichef aber bestätigt

Neu-Isenburg (taz) – Bundesfinanzminister Hans Eichel wurde auf dem Landesparteitag seiner hessischen SPD in Neu-Isenburg für den Kürzungskurs der Bundesregierung abgestraft – ein bisschen. Bei seiner Wiederwahl zum Landesvorsitzenden stellten sich die Delegierten 85-prozentig hinter ihren Mann, der die Bundesrepublik mittelfristig schuldenfrei machen möchte. 1997 hatte der ehemalige Ministerpräsident noch 90,1 Prozent erhalten.

In der für sozialdemokratische Parteitagsverhältnisse ungewöhnlich langen Aussprache zum „Grundsatzreferat“ von Eichel, der die Steuer- und Sparpolitik der Bundesregierung vehement verteidigte, gab es viel Kritik an der „neoliberalen Politik“ von Bundeskanzler Gerhard Schröder. Der ehemalige Landwirtschaftsminister Jörg Jordan wetterte, er sei nicht auf der Grundlage des „Schröder/Blair-Papiers“ in die SPD eingetreten – sondern weil er es notwendig fand, den Kampf für soziale Gerechtigkeit und für Umweltschutz zu organisieren. Da er an diesen Grundsätzen festzuhalten gedenke, sei er jetzt wohl eine „Altlast“ für die sogenannten Modernisierer.

Ex-Minister kritisiert neoliberale Politik

Jordan nannte das Verhalten der gesamten Bundesregierung bei der europäischen Altautoverordung „unglaublich“. Diese habe Schröder „auf Pfiff“ von VW hin sabotiert – und das Kabinett habe gekuscht. Für den Ex-Minister war dies ein später Beleg dafür, dass die Theorie der linken Jusos der 70er Jahre vom „Staatsmonopolistischen Kapitalismus“ (Stamokap), nach der der Staat nur als Marionette der Wirtschaft daherkomme, „vielleicht doch nicht ganz so falsch war“.

Wie Jordan erhielt auch der SPD-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende der IG Bauen, Agrar, Umwelt, Klaus Wiesehügel, viel Beifall von den Parteitagsdelegierten. Wiesehügel erinnerte daran, dass das Verhältnis zwischen SPD und Gewerkschaften keine Einbahnstraße sei – „wie Schröder offenbar glaubt“. Die Gewerkschaften hätten vor der Wahl mit großem Engagement für den Regierungs- und Politikwechsel im Bund gekämpft. Doch fast alle angekündigten Reformvorhaben seien „zerredet“ worden. Dialoge führe die rot-grüne Bundesregierung offenbar nur noch mit den Wirtschaftsverbänden und nicht mehr mit den Gewerkschaften, kritisierte Wiesehügel. Seit der Wahl sei der sogenannte Gewerkschaftsrat, ein mit Sozialdemokraten und Gewerkschaftern besetztes Beratungsgremium, nicht mehr einberufen worden: „Da fällt einem der Kitt aus den Fenstern“, schimpfte der Bundestagsabgeordnete.

Die Neu-Isenburger Delegierten schossen sich auf Schröder ein – ihr Landesvorsitzender Hans Eichel wurde jedoch eher geschont. Der „brave Hans“ (SPD) hat aus seiner Zeit als Ministerpräsident des Landes und als Landesvorsitzender offenbar noch immer (Glaubwürdigkeits-)Kredit bei den Genossen. Stehende Ovationen der rund 300 Delegierten für den Bundesfinanzminister nach einer, für Eichel ungewöhnlich engagierten und langen Rede. Eichel argumentierte, dass der Abbau der Staatsverschuldung „auch im Interesse der sozial Schwachen“ liege – ein bankrotter Staat könne überhaupt nichts mehr verteilen. Die SPD müsse am Ziel der Hauhaltskonsolidierung festhalten, auch mit Blick auf die nächste Bundestagswahl: „Wer jetzt einknickt, hat schon verloren; wer jetzt durchhält, hat die Chance, im Jahre 2002 ein Mandat für längere Zeit zu bekommen.“

Eichel wehrte sich gegen den Vorwurf, bei der Renten- und Steuerpolitik „die da oben“ zu schonen und „unten abzukassieren“, wie die hessischen SPD-Linken schon vor dem Parteitag kritisiert hatten. Eichel ließ allerdings keinen Zweifel daran, dass Kapitalauschüttungen aus privaten Renten- und Lebensversicherungen demnächst versteuert werden müssten. Es bleibe dabei: Die Rente werde für zwei Jahre vom Nettolohn abgekoppelt.

Da hielt eine Delegierte ein Kärtchen hoch in die Hugenottenhalle: die vor der Bundestagswahl von der SPD verteilte „Garantiekarte“ für die Renten.

Klaus-Peter Klingelschmitt