Eine Randgruppe mit gehobenen Ansprüchen

■ Die hochgepriesene Biotechnologie umfaßt 222 Kleinfirmen mit 5.200 Beschäftigten. Forderungskatalog des Verbandes umgekehrt proportional zur wirtschaftlichen Bedeutung

Frankfurt (taz) – Schöne neue Welt der „grünen“ Gentechnologie: Kein Mensch wird mehr verhungern müssen, weil immer mehr Grundnahrungsmittel mit „gesunden“ Zusätzen produziert werden. Und alle Lebensmittel werden besser schmecken und auch billiger sein, weil beim Anbau von Nahrungsmitteln auf teurere Pflanzenschutzmittel verzichtet werden kann. Das behauptete der Vorsitzende der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie (DIB), Pol Bamelis, gestern in Frankfurt.

Bamelis, gleichzeitig Forschungsvorstand der Bayer AG, sprach auf Einladung des Verbandes der chemischen Industrie (VCI) über die wirtschaftliche Bedeutung der Biotechnologie in Deutschland. Die nehme zwar kontinuierlich zu. Aber bis die schöne neue Welt der „grünen“ GenTec“ auch in Deutschland realisiert werden könne, müssten noch viele Stolpersteine aus dem Weg geräumt werden. Auf der nationalen Ebene etwa die „Steuerlast“, die gerade die kleinen, innovativen Unternehmen der Branche besonders drücke. Die Gesamtbelastung inklusive Gewerbesteuer dürfe 35 Prozent nicht übersteigen.

Auf der europäischen Ebene müsse endlich die noch zu novellierende Freisetzungsrichtlinie verabschiedet werden, die die Aussaat und Anpflanzung gentechnisch veränderter Pflanzen und deren Vermarktung regelt.

Der Verband fordert eine europäische Zulassungsbehörde nach US-amerikanischem Muster. Die „politisch motivierten Entscheidungen in Europa“, diese „Schwäche des Systems“, analysierte Bamelis, sei eine der Hauptursachen für die Verunsicherung der Menschen in Europa bei der „grünen“ Gentechnik. Dass seit über einem Jahr keine manipulierte Pflanze mehr zugelassen worden sei, sei für die Unternehmen „unhaltbar“.

Auf die Gentechnologie setzen in Deutschland immer mehr kleinere Firmen. Die Branche, so Bamelis, wächst „kräftig und kontinuierlich“. Von den Gen-Tech-Töchtern der Konzerne abgesehen, waren 1998 exakt 222 kleine Unternehmen mit weniger als 500 Beschäftigten im Kernbereich der Biotechnologie tätig, 50 mehr als noch 1997. Dort arbeiten 5.200 Menschen (plus 30 Prozent), die einen Umsatz von knapp einer Milliarde Mark erwirtschafteten. An Fördermitteln alleine des Bundes erhielten die Unternehmen, oft Newcomer, die sich auf Risikokapital stützen, rund eine Milliarde Mark. Nicht gerechnet die Fördermittel aus Landeskassen und kommunalen Haushalten. Klaus-Peter Klingelschmitt