Die überaus nützliche Dämonisierung der Serben

Gerade weil die Nato-Staaten die Angriffe auf Jugoslawien moralisch begründen, muß der Feind als das Böse schlechthin dastehen. Die rhetorische Aufrüstung ähnelt der des Kalten Krieges. Wie mit der öffentlichen Meinung Krieg geführt wird, berichtet  ■   Uta Andresen

„Der Schlächter und seine Hexe“, titelte die Berliner Boulevardzeitung B.Z. Ende April ungeniert. Gemeint waren der Belgrader Diktator Slobodan Miloevic und seine Frau Mirjana Markovic. Bild dagegen wählte die denkwürdige Variante: Im Kosovo kesseln „Serben-Panzer“ Bauerndörfer ein und feuern auf die wehrlose Bevölkerung.

Diese beiden Beispiele sind keineswegs Wildwüchse in einer ansonsten sich sittsam und differenziert darstellenden Presselandschaft. Seit Beginn des Krieges im Kosovo würden in den Medien und der öffentlichen Debatte klare Feindbilder aufgebaut, stellt Hans-Joachim Gießmann, Politologe am Hamburger Friedensforschungsinstitut fest. Dabei werde die serbische Bevölkerung Jugoslawiens faktisch mit seiner diktatorischen Führung und deren paramilitärischer Organisation gleichgesetzt. „Die Serben“ begehen die Verbrechen im Kosovo. „Die Serben“ wollen keinen Frieden. Der Feind, so scheint es, ist eine feste, klar umrissene Gruppe.

Selbst die für ihre seriöse Nachrichtenberichterstattung gerühmte konservative Frankfurter Allgemeine Zeitung bemüht diese Pauschalisierungen. „Folter, Verstümmelungen, Vergewaltigungen – Bericht über serbische Greueltaten im Kosovo“, lautete dort jüngst eine Schlagzeile. Und auch die Vereinten Nationen sind in diesem Konflikt nicht vor der Schlichtheit der Kriegssprache gefeit. So verkündete der UNHCR-Sprecher Kris Janowski, daß „die Serben“ einige Leute als Zwangsarbeiter oder menschliche Schutzschilde behalten wollten. Diese Stereotypisierung komme einer Sippenhaft gleich, sagt Gießmann.

Verschiedene Friedensforscher sehen in den letzten Wochen eine regelrechte Dämonisierung der Serben. Hauptgrund dafür sei, daß der Krieg gegen Jugoslawien aus moralischen Gründen begonnen wurde, sagt der Psychoanalytiker Horst-Eberhard Richter. Der Feind muß daher vor allem eines sein: böse. Nur so läßt sich dieser Krieg rechtfertigen.

In Bild sind es die „Horrortaten der Serben“, im Spiegel die „Miloevic-Killer“, von denen keiner weiß, wo sie als nächstes zuschlagen, und die sogar Kindern ihre Spielsachen abnehmen. Bei Verteidigungsminister Rudolf Scharping ist es die „Mordmaschinerie von Miloevic“, die „bestialische“ Verbrechen begeht. Diese Dämonisierung gleiche der Berichterstattung über die Russen während des Kalten Krieges und über Saddam Hussein im Golfkrieg, sagt Richter.

Wie die öffentliche Stigmatisierung sich auswirkt, schilderte kürzlich eine Kölner Journalistin serbischer Herkunft im Spiegel: „Soll ich jedem Nachbarn einzeln erklären, daß ich keine Massenmörderin bin?“

Der moralischen Aufrüstung, insbesondere der deutschen Bevölkerung, dient der Vergleich des Miloevic-Regimes mit Hitler-Deutschland. Vor allem Verteidigungsminister Scharping fand immer wieder Worte, die dies nahelegen: Völkermord, Schlachthaus, ethnische Säuberung, Selektierung, KZ. Scharping beschwor gar den „Blick in die Fratze der deutschen Vergangenheit“.

Dabei befindet sich der Verteidigungsminister in guter Gesellschaft: Der US-amerikanische Historiker Daniel Goldhagen forderte die Eroberung Belgrads und die Umerziehung der Serben – ihre Entnazifizierung also (vgl. Artikel unten).

Damit werde dem deutschen Publikum suggeriert, daß man gegen einen zweiten Hitler kämpfe, sagt Richter. Eine gewissermaßen späte Wiedergutmachung. Und: Das Gegenstück zur Dämonisierung der Serben sei die Selbstheiligung des Westens. Hier der edle Sheriff – dort der böse Schurke.

Dabei sei der Vergleich Serbiens mit dem „Dritten Reich“ unzulässig und historisch falsch, wie Harald Müller, Politologe vom Frankfurter Friedensforschungsinstitut feststellt. Hitler habe halb Europa angegriffen. Miloevic nicht. Hitler habe die Juden in Konzentrationslagern vergast. Miloevic tue Vergleichbares mit den Kosovaren nicht. Die Kriegslust der Schreibtischtäter sei erschrekkend, sagt Müller.

Seit kurzem werden die Stereotype in der öffentlichen Debatte wieder abgerüstet. Den Grund dafür sieht Gießmann darin, daß das Nato-Bombardement zunehmend Zivilisten trifft. Die Öffentlichkeit wendet sich nun auch den Serben zu. Aus Tätern werden Opfer. Bei dieser Konfusion sei die Unterstützung für das Bombardement in Gefahr, wie auch die letzten Umfragen zeigten, sagt Friedensforscher Gießmann. Differenzierung schadet der moralischen Aufrüstung.