"Jugoslawien ist nicht zu demokratisieren"

■ Nenad Popovic erhält heute den Anerkennungspreis der Leipziger Buchmesse. Der kroatische Schriftsteller veröffentlichte kritische Autoren aus dem gesamten Spektrum des früheren Jugoslawien. Sein

Nenad Popović, 1950 in Zagreb geboren, hat als kroatischer Intellektueller, vor allem aber als unabhängiger Verleger großen Einfluß auf die kroatische Öffentlichkeit gewonnen. Er gründete mit dem Durieux-Verlag den ersten privaten Verlag des Landes und gab dort eine Vielzahl kritischer Autoren aus dem ehemaligen Jugoslawien, die in ihrer Heimat verfemt waren, eine Veröffentlichungsmöglichkeit. Nenad Popović hat zudem im Ausland, auch in Deutschland, journalistisch gearbeitet.

Für seine Verdienste um die „europäische Verständigung“ wird er heute mit dem Anerkennungspreis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet. Mit dem Preis sollen Persönlichkeiten geehrt werden, die sich besondere Verdienste um das Verhältnis von Ost- und Westeuropa erworben haben. Den Hauptpreis bekommt in diesem Jahr der britische Historiker Eric Hobsbawm.

taz: Herr Popović, wie wird man eigentlich ein demokratischer Oppositioneller?

Nenad Popović: Ich bin einfach durch die Umstände zu meiner Position gekommen. Es blieb mir nichts anderes übrig, als ständig auf die dramatischen Ereignisse in meinem Heimatland zu reagieren. Ich bin im kommunistischen Jugoslawien geboren, war Lektor eines großen Verlages. Im Prozeß der Auflösung Jugoslawiens, die mit der Kosovo-Kampagne 1988 begann, wurde Jugoslawien durch eine totalitäre Oligarchie des Militärs dominiert. Jugoslawien ist nicht mehr zu demokratisieren. Ich bin deshalb schon bald für ein demokratisches Kroatien eingetreten. 1990 gründete ich dann den Durieux-Verlag.

Die Verlagspolitik hat der neuen Macht in Kroatien nicht immer gefallen. Sie sind meistens gegen den Strom geschwommen.

Wirtschaftlich wäre es sicherlich vernünftig gewesen, auf der nationalistischen Welle zu schwimmen. Doch welche Vernunft ist das? Ich habe Leute verlegt, die durch die Erschütterungen durchgegangen sind, die etwas zu sagen hatten. Der Verlag ist eine Werkstatt für Autoren, die selbst Opfer sind. Geschäftlich war dies natürlich ein selbstmörderisches Unterfangen. Ich bin manchmal erstaunt, daß wir immer noch existieren.

Sie haben zu Anfang des Krieges in Kroatien auch serbische Autoren verlegt.

Sicherlich, Autoren aus Serbien wie Bogdan Bogdanović, aber auch weniger bekannte serbische Autoren aus Kroatien. Gerade während der kroatischen Agression in Bosnien-Herzegowina brachten wir bosnische Autoren wie Dzevad Karahasan heraus. Mit dem Bosnier Miljenko Jergović hat ein junger Autor von großem Rang bei uns veröffentlicht. Wir standen glücklicherweise nicht ganz alleine, es gab auch Buchhändler, die genau diese Bücher in den Vordergrund gerückt haben. Manche Leute haben so ihre Haltung demonstriert.

Haben Sie damit nicht die negative Aufmerksamkeit der Staatsmacht auf sich gezogen?

Es wäre angenehm zu sagen, ja, aber in Wirklichkeit haben wir keinerlei Repression von seiten des Staates erfahren. Vielleicht wurden wir von ihnen angesichts der kriegerischen Ereignisse als einfach zu unwichtig eingestuft. Es gab zwar öffentliche Äußerungen, es gab negative Besprechungen in der Regierungspresse, aber auch positive in der oppositionellen. Direkt aber hat der Staat nicht reagiert.

Sie sind weit über die Grenzen Kroatiens bekannt geworden. Wie haben die westlichen Intellektuellen reagiert? Gab es Unterstützung von seiten der europäischen Intelligenzija?

Es mußte Autoren geholfen werden, die in Not waren. Ganz anders als die große Politik, die sich ja nicht verhalten hat, haben viele Journalisten, Schriftsteller, Politiker auf ihre Weise ganz privat gehandelt.

Alle, die direkt angesprochen wurden, haben ganz selbstverständlich reagiert, haben mit Geld oder mit anderer Unterstützung geholfen, haben Kleider und Geld gespendet, Stipendien beschafft. Das reicht von Claudio Magris bis Joschka Fischer oder Freimut Duve, Adam Michnik, Cohn-Bendit, dazu gehörte Christiane Schlötzer-Scotland mit den Journalisten ohne Grenzen, aber auch viele andere haben uns sofort geholfen. Sie erkannten die Lage der bedrohten Schriftsteller und Kollegen spontan, vielleicht auch, weil sie sich an die Schicksale der bedrohten Kollegen während der Zeit des Nationalsozialismus erinnerten.

Was bedeutet Ihnen selbst der Preis?

Die Verleihung dieses Preises ist schon sehr angenehm. Ich glaube, das hat etwas damit zu tun, was wir mit diesem Verlag gemacht haben. Ich sehe ihn als einen Preis für alle Autoren an, für das gesamte Netzwerk, das sich im Laufe der dramatischen Entwicklung gebildet hat. Interview: Erich Rathfelder