Bayer läßt Konkurrenten ausspionieren

Vom Pharmakonzern beauftragte Detektive wurden bei einem Einbruch in die Geschäftsräume der Konkurrenz erwischt. Laut Bayer ging es um den Schutz seiner Patente. „Illegale Methoden“ werden aber abgelehnt  ■ Von Philipp Mimkes

Düsseldorf (taz) – Zypern 1997: Die britischen Detektive Michael Flack und Bill Whybrow, zwei Ex- Polizisten, werden bei einem Einbruch in die Geschäftsräume einer Pharmafirma erwischt und zu acht Monaten Gefängnis verurteilt. Ihr Auftraggeber ist der weltweit agierende Bayer-Konzern. Dieser fürchtete, daß die beiden Schnüffler ihre Geheimnisse an die Öffentlichkeit bringen und bot ihnen nach Angaben der Londoner Sunday Times ein „Schweigegeld“ in Höhe von 50.000 Pfund (gut 140.000 Mark) an. Bayer-Sprecher Thomas Reinert interpretiert das finanzielle Angebot etwas anders: „Das war kein Schweigegeld. Wir wollten damit Außenstände begleichen und den Männern ermöglichen, einen Anwalt zu finanzieren. Die beiden waren auf Zypern illegal tätig gewesen. Das war nicht in unserem Interesse.“ Ebenfalls nicht im Interesse von Bayer war, daß die beauftragten Spione sich erwischen ließen. Und daß sie die 50.000 Pfund ausgeschlagen und statt dessen lieber ihre peinlichen Geheimnisse der Presse mitgeteilt haben. Flack und Whybrow berichten, sie hätten für eine Tagesgage von 550 Pfund (ca. 1.500 Mark) regelmäßig Mitbewerber von Bayer ausspioniert. Zu diesem Zwecke sind sie nach eigenen Angaben in Großbritannien, Spanien, Italien, der Schweiz, Zypern und in Kanada bei Konkurrenten oder Anwaltskanzleien eingebrochen, haben Telefone und Faxgeräte angezapft und Dokumente gestohlen. Whybrow erläutert gegenüber der Sunday Times das Ausmaß seiner und seines Kollegen weltweiten Aktivitäten: „Es war sehr gefährlich, besonders, wenn es um das Eindringen in Fabriken ging. Wir erledigten so etwas jeden Monat.“

Für Bayer-Sprecher Reinert bedarf das einer Klarstellung: „Wenn Bayer gelegentlich externe Detektive einschaltet, dann geschieht das, um Informationen sicherzustellen im Zuge von Gerichtsverfahren zum Schutz von Bayer-Patenten.“ Auch zwischen der in Zypern betroffenen Firma und Bayer hätte es vorher schon Gerichtsverfahren gegeben. „Es ist jedoch von uns weder gewollt noch stillschweigend gebilligt, daß von den Detektiven illegale Methoden angewandt werden“, sagte Reinert gestern. „Nicht nur aus ethischen Gründen, sondern weil solche Informationan auch nicht gerichtsverwertbar wären.“

Die Sache mit der stillschweigenden Duldung sehen Flack und Whybrow ganz anders: Ex-Bayer- Einsatzkoordinator Stephen Smith, der nach seinem Ausscheiden schriftlich versichern mußte, nichts über seine Tätigkeit zu verlautbaren, habe in einem Schreiben auf Firmenpapier die beiden Spürnasen beauftragt, einen Anwalt der Firma Chemo-Iberica auszuspionieren. „Es wäre interessant zu erfahren, welcher Art die Beziehung zwischen dem Londoner Anwaltsbüro Fox & Gibbon und Chemo ist und welchen Schaden Bayer erleiden könnte“, schreibt Smith. Und Flack weiß, wie dieser Auftrag zu verstehen ist: „Im Klartext bat uns Smith, das Hotelzimmer und das Büro in London auf den Kopf zu stellen. Smith hätte es niemals so geschrieben, aber wir wußten, was gemeint war.“

Branchenkenner vermuten, daß diese Art Spionage bei Bayer gang und gäbe ist. Nach Angaben der Sunday Times hat der Konzern Anfang der 90er Jahre zusammen mit anderen Unternehmen – ebenfalls „forschende Pharmafirmen“, so Reinert – die Detektei Carratu International/London im großen Stil mit „Nachforschungen“ beauftragt. Allein Bayer habe in einen dazu gegründeten Fonds jährlich 300.000 Pfund (ca. eine Million Mark) eingezahlt. Mitte der 90er Jahre dann hat sich der Konzern aus dem Bündnis verabschiedet und die Kollegen Flack und Whybrow engagiert, die ihren Job nach der Verhaftung auf Zypern wieder verloren haben. Es steht zu befürchten, daß Bayer mit vergleichbarem Aufwand auch in anderen Ländern zum „Schutz vor Fälschungen und Produktpiraterie“, wie es offiziell heißt, die Geheimnisse der Konkurrenz ausspioniert.