Konzernchefs legen ihren Wunschzettel vor

■ Unternehmer aus der EU und den USA fordern transatlantische Freihandelszone

Köln (taz) – In Charlotte/USA kommen heute 100 Vorstandsvorsitzende europäischer und amerikanischer Konzerne zusammen. Die illustre Runde mit dem Namen Transatlantic Business Dialogue (TABD) trifft sich jährlich und kämpft für freien Handel und Deregulierung. Von Bill Gates bis Ferdinand Piäch verpaßt kein Wirtschaftsprimus die bis morgen dauernde Tagung. Der deutschen Riege gehören unter anderem die Chefs von Siemens, Bayer, Deutsche Bank, Telekom, BMW und Veba an. Auch ausgesuchte Politiker sind geladen: der EU-Handelskommissar Sir Leon Brittan, US- Handelsministerin Charlene Barshefsky und der Generalsekretär der Welthandelsorganisation, Renato Ruggiero.

Das langfristig wichtigste Ziel des TABD ist eine transatlantische Freihandelszone, wofür zahlreiche nationale Gesetze geändert werden müßten. Internationale Umweltabkommen, wie zum Klimaschutz, lehnt die Runde ab – und propagiert statt dessen Selbstverpflichtungen der Industrie. Auch fordert sie ein Verbot von Handelsbeschränkungen zur Umsetzung politischer Ziele (wie zum Beispiel das langjährige Embargo gegen Südafrika).

Die Treffen des TABD werden von einem europäischen und einem amerikanischen Manager geleitet. Einer der beiden Tagungsleiter in diesem Jahr ist Daimler- Chef Jürgen Schrempp. Schwerpunkt des Treffens ist die Durchsetzung des Prinzips „Einmal zugelassen – überall zugelassen“. Genehmigungsverfahren sollen künftig nur noch in einem Land der EU oder in den USA durchlaufen werden, in den anderen Staaten bräuchten keine weiteren Sicherheitstests durchgeführt zu werden. Besonders bei der Zulassung für Arzneimittel, Pestizide oder Autoteile würde dies zu einer starken Verkürzung der Genehmigungszeiten führen.

Schon vorab forderte Schrempp in einem Brief an US-Präsident Bill Clinton und an den Präsidenten der EU-Kommission, Jacques Santer, eine rasche politische Umsetzung. Für den TABD sei die Verzögerung eines diesbezüglichen Abkommens „nicht akzeptabel“. Umweltschützer hingegen fürchten, daß die Unternehmen für Genehmigungsverfahren in Zukunft bewußt Länder mit niedrigen Sicherheitsstandards aussuchen. Ebenfalls auf der Tagesordnung steht die Aufhebung eines Importstopps für risikoreiche Lebensmittel, den die EU nach der BSE-Krise verhängt hatte. Nahrungsmittelkonzerne fürchten dadurch eine „Diskriminierung“ bei der Markteinführung gentechnisch veränderter Lebensmittel.

Der TABD hat offiziell eine beratende Funktion für die EU- Kommission und das US-Außenhandelsministerium. Regierungsunabhängige Organisationen wie das Amsterdamer Corporate Europe Observatory kritisieren diesen direkten Draht zur Politik – Gewerkschaften und Umweltverbände werden nicht in einer ähnlichen Weise angehört. Dies führe zu einem überproportionalen Einfluß der Industrievertreter und zu einer Aushöhlung von Umwelt- und Sicherheitsstandards. Zwar kann der TABD offiziell nur Empfehlungen aussprechen, trotzdem beeinflußt kein anderes Gremium die Weltwirtschaftspolitik so nachhaltig. Das Selbstbewußtsein der Runde zeigt die jüngst veröffentlichte „Erfolgsliste“. Sie listet bereits erreichte Ziele auf und gibt einen detaillierten Zeitplan für noch nicht umgesetzte Forderungen vor. Philipp Mimkes