Papst fordert Kroaten zur Versöhnung auf

Fast eine Million Kroaten umjubeln den Papst in Split und Zagreb. Die am Samstag erfolgte Seligsprechung von Kardinal Stepinac bleibt aber wegen seiner Rolle im Ustascha-Regime umstritten  ■ Aus Sarajevo Erich Rathfelder

Die kroatische Nation sollte bereit sein zu vergeben und das „Gedächtnis von Haß und dem Wunsch nach Rache zu reinigen“, war die wichtigste Botschaft des Papstes bei seinem Besuch am Wochenende in Kroatien. Damit forderte der Papst die Gläubigen indirekt auf, sich tolerant gegenüber der serbischen Minderheit in Kroatien zu verhalten. Umstritten bleibt jedoch die am Samstag erfolgte Seligsprechung des während des Ustascha-Regimes 1941–45 tätigen Kardinals Aloijsije Stepinac.

Fast eine Million Gläubige jubelten dem Papst in Split und Zagreb zu und bewiesen damit, daß Kroatien neben Polen und Irland zu den wichtigsten Stützen des Katholizismus in Europa gehört. Die am Samstag erfolgte Seligsprechung des umstrittenen Kardinals Stepinac im Marienwallfahrtsort Marija Bistrica bei Zagreb vor 400.000 Gläubigen durch Papst Wojtyla stieß trotz der Euphorie um den Papstbesuch nicht nur auf Zustimmung. Denn bis heute ist umstritten, ob Stepinac zu den Stützen oder zu den Kritikern des damaligen Ustascha-Regimes zählt. Nach dem Zusammenbruch des Ustascha-Regimes 1945 wurde Stepinac vom kommunistischen Tito-Regime der Kollaboration mit der Ustascha beschuldigt, zu 16 Jahren Zuchthaus verurteilt und unter Hausarrest gestellt. In den Konzentrationslagern des Ustascha-Regimes – so vor allem in Jasenovac – sollen nach neuesten Forschungen 80.000 Juden, Serben, Roma und kroatische Widerständler ermordet worden sein.

Stepinac hatte 1941 das von Mussolini und Hitler eingesetzte Ustascha-Regime zunächst unterstützt, weil er in dem neuen Staat den jahrhundertealten Wunsch der Kroaten nach Unabhängigkeit bestätigt sah. Schon wenige Monate später distanzierte er sich von der gnadenlosen Verfolgung der Minderheiten. Mehrmals protestierte er gegen die Konzentrationslager. In öffentlichen Auftritten bezeichnete er die Lager als „Schande“ für Kroatien. Seine Kritiker werfen ihm vor, daß er Serben und Juden zum Übertritt zum Katholizismus zwang. Anhänger des Kardinals sehen darin aber eine positive Tat. Indem er den Glaubenswechsel zugelassen hatte, habe Stepinac vielen Menschen vor der Vernichtung gerettet.

Das Wirken Stepinacs wird inzwischen differenzierter gesehen als noch vor wenigen Jahren. Die Jüdische Gemeinde Kroatiens, die während der Ustaschazeit 30.000 Mitglieder verlor, dankte Stepinac in einer kürzlich veröffentlichten Würdigung zwar für dessen Einsatz. Im Einklang mit der Führung der Gemeinde forderte das Simon- Wiesenthal-Zentrum jedoch vom Vatikan, die Seligsprechung auszusetzen, bis unabhängige Wissenschaftler die Rolle Stepinac' endgültig geklärt haben.

Stepinac starb 1960 im Alter von 62 Jahren. Sofort gingen Gerüchte um, es seien Giftspuren in seinem Blut nachgewiesen worden. Nach Angaben des Verlegers Nenad Popović, der Sohn des Leibarztes von Stepinac ist, waren diese Gerüchte unbegründet. Sie dienten jedoch dazu, Stepinac nach der Unabhängigkeit 1991 zum Kämpfer gegen die Kommunisten hochzustilisieren und den Ustaschastaat zu entlasten. Mit seinem Besuch und der Seligsprechung Stepinac' zum „jetzigen Zeitpunkt“, so Popović, habe der Papst vor allem Präsident Franjo Tudjman „einen Gefallen getan“.

In den letzten Jahren war es mehrmals zu Spannungen zwischen den Papst und der kroatischen Führung gekommen, vor allem nach dem Anriff kroatischer Truppen in Bosnien-Herzegowina 1993. Nach einem gescheiterten Versuch des Papstes 1994, die damals belagerte Stadt Sarajevo zu besuchen, zelebrierte er in Zagreb eine Messe, während der er die kroatische Führung scharf angriff. Mit seinem jüngsten Besuch und der Seligsprechung Stepinac' habe der Papst der katholischen Bevölkerung Kroatiens ein Zeichen geben und zur Versöhnung mit Serben und Muslimen aufrufen wollen, hieß es aus Kreisen der Franziskaner in Sarajevo.