Am Straßenrand

■ Neue Nachrichten aus Umtata, 4. Folge: Wo die Reise im Luxusbus zu Ende ist

mtata hat einen Bahnhof. Der Zug, der dort alle paar Tage laut tutend abfährt, transportiert allerdings seit Jahren keine Menschen mehr. Der wackeligen Schmalspurbahn wird nur noch das gesammelte Altmetall anvertraut: rostige Eisenträger, ausgeschlachtete Maschinen, Autowracks. Der Nachschub an fabrikneuen Limousinen rollt dagegen auf dem Rücken überlanger Lastwagen nach Umtata. Wer sich kein Auto leisten kann, und wer kann das schon in der armen Transkei, muß sich entweder den lebensgefährlichen Fahrkünsten übermüdeter Minibusfahrer oder sogenannten Bussen anvertrauen, denen das Blech schon an den Schenkeln klappert. Natürlich sitzen auch im Postapartheid-Südafrika noch immer die Weißnasen in den schnellen Autos.

Einzige Ausnahme von dieser Regel der vernachlässigten öffentlichen Verkehrsmittel wollen die beiden Busgesellschaften Translux und Greyhound sein. Sie kassieren zwei- bis dreimal soviel wie die normalen Busse und bieten dafür zwei gut geschulte Fahrer in Uniform, Airconditioning und nur vier statt der üblichen sechs Sitze pro Reihe. So reist die neue schwarze Mittelschicht zusammen mit ein paar europäischen Touristen und weißen Südafrikanern, die ihren Führerschein wahrscheinlich wegen Trunkenheit am Steuer verloren haben und sich keinen Chauffeur leisten können.

Und so reise auch ich. Zum Beispiel neulich von Kapstadt nach Umtata. Nachdem die wärmsten Grüße der Firma Greyhound aus dem Bordlautsprecher verklungen, die Kuschelkissen für die Nacht verteilt, das Licht gelöscht und die letzte Verfolgungsjagd auf dem Videoschirm endlich mit lautem Krach und Totalschaden beendet ist, ruckeln sich 40 Fahrgäste für die Nacht zurecht. Kaum sind die ersten entschlummert, werden sie von jämmerlichem Gepiepse wieder aufgeweckt. Der Bus steht, denn das unterträgliche Warnsignal läßt sich nur zusammen mit dem Motor abstellen. Eine halbe Stunde später schält sich der herbeitelefonierte Mechaniker aus der Nacht, diagnostiziert und flickt den Kabelbruch.

Kaum sind 40 Passagiere wieder dem Träumen nah, krachte es gewaltig vorne links. Rumpelnd hält der Bus am Straßenrand. Unter funkelndem Sternenhimmel beginnen zwei uniformierte Fahrer zwischen dem Gepäck nach Ersatzrad, Wagenheber und Werkzeug zu wühlen. Doch alles, was sie finden, ist für die gewaltigen Muttern ein paar Nummern zu klein. Also wird wieder nach dem Mechaniker telefoniert. Der montiert 60 Minuten später das Reserverad.

„Hast Du gesehen, daß die Reifen alle uralt und nur runderneuert sind?“ fragt mich mein Sitznachbar, als der Greyhound weiter Richtung Heimat ruckelt, „mal sehen, ob sie das platte Reserverad irgendwo austauschen.“ Der Mann muß vom Fach gewesen sein. Wir lassen Plettenberg Bay, Port Elizabeth, Grahamstown, East London hinter uns, doch das Gepäckfach bleibt zu. 60 Kilometer vor Umtata passiert dann, was passieren muß: Es knallt vorne rechts, rumpelnd endet die Fahrt am Straßenrand, diesmal endgültig. Denn wo sollte am Sonntag abend irgendwo zwischen Idutywa und Umtata plötzlich ein Bus-Reserverad samt passendem Werkzeug auftauchen?

Zumindest funktioniert das Telefon. Die Greyhound-Zentrale in Johannesburg verspricht, einen Ersatzbus auf die Reise zu schicken – aus dem 500 Kilometer entfernten Depot in Durban. Warum sehen bloß die Gesichter in den überladenen Minibussen plötzlich so schadenfroh aus, wenn sie hupend an uns vorbeirauschen? „Wir möchten Ihnen als ein geschätzter Kunde, der aufgrund unglücklicher Umstände eine enttäuschende Reise mit unserem Service erlitten hat, das größte Bedauern von Management und Belegschaft übermitteln“, heißt es ein paar Tage später in dem Brief aus Johannesburg. Das Sekretariat ist bei Greyhound offenbar besser in Schuß als die Werkstatt. Dabei liegt ein Gutschein für das, wonach es den geschätzten Kunden nach der enttäuschenden Reise jetzt am meisten verlangt: eine Freifahrt mit dem Luxusbus. Dirk Asendorpf