Bombenanschläge und Plünderungen in Mostar

■ SFOR riegelt Hauptstraße ab. Kroatiens Präsident Tudjman hetzt gegen bosnische Muslime

Wien (taz) – Die latenten Spannungen zwischen Kroaten und Muslimen führten in der Nacht zu Dienstag in der herzegowinischen Provinzhauptstadt Mostar erstmals seit Monaten wieder zu offenen Ausschreitungen. Nach UNO- Angaben kam es an der Hauptstraße, die den muslimischen und kroatischen Teil der Stadt trennt, zu mindestens einem – Augenzeugen sprechen von mehreren – Bombenanschlag auf ein Kaffeehaus und der Plünderung von Geschäften. Bei wilden Schlägereien wurden außerdem mehrere Menschen verletzt. Gestern blieb die Flanier- und Einkaufsmeile großräumig abgesperrt, starke SFOR- Truppen kontrollierten das Zentrum der zweigeteilten Stadt.

Wie es zu den Ausschreitungen kam, war gestern nicht eindeutig festzustellen. Das offizielle Sarajevo beschuldigte kroatische Nationalisten der Provokation. In der kroatischen Hauptstadt Zagreb wurden Anschuldigungen laut, muslimische Fundamentalisten steckten hinter dem Versuch, „die kroatische Bevölkerung Mostars einzuschüchtern und zu terrorisieren“.

Beide Seiten spielten mit ihrer Schuldzuweisung auf eine Rede des kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman vom vergangen Samstag vor Parteigenossen an, in der dieser seinen Amtskollegen Alija Izetbegović offen als „Fundamentalisten“ beschimpft hatte, der auch zwei Jahre nach dem Friedensschluß von Dayton Bosnien in einen islamischen Staat umwandeln wolle. Auf dem Zagreber Parteitag der alleinregierenden Kroatischen Demokratischen Union (HDZ) holte Tudjman zum Erstaunen vieler zum verbalen Schlagabtausch gegen die bosnischen Muslime aus, so, als wolle er dem kriegsgeschüttelten Land erneut jede staatliche Existenzberechtigung absprechen.

Ausdrücklich verteidigte Tudjman die kroatischen Kriegsabenteuer von 1993 in Herzegowina. „Hätten wir Kroaten nicht zu den Waffen gegriffen, wäre Bosnien schon damals ein islamischer Staat geworden“, behauptete Tudjman. Kein Wort des Bedauerns über die Opfer unter der Zivilbevölkerung kam dem Staats- und Parteichef über die Lippen. Unerwähnt ließ er auch die Verpflichtung von Dayton, mit den Muslimen eine zivile Ordnung in Bosnien aufzubauen und sich für den Frieden auf dem Balkan einzusetzen. In einer ersten Reaktion verurteilten die Vereinigten Staaten Tudjmans „Ausschweifungen“. So forderte der US-Beauftragte für das ehemalige Jugoslawien, Robert Gelbard, den Kroaten auf, „mehr auf die Wahl seiner Worte zu achten“. Es sei gefährlich und lächerlich, die Prinzipien von Dayton in Frage zu stellen. Karl Gersuny