Eine Laudatio für die rechten Schreiber

■ Die Parteien im Abgeordnetenhaus reagieren verärgert auf eine Rede von Innensenator Jörg Schönbohm (CDU). Der war im November bei einer Buchvorstellung der Neuen Rechten als Gastredner aufgetreten,

Eine Rede des Innensenators aus dem vergangenen Jahr sorgt für politische Empörung: Jörg Schönbohm (CDU) hatte im November 1997 das neue Buch der Welt am Sonntag-Redakteure Heimo Schwilk und Ulrich Schacht, „Für eine Berliner Republik“, im Deutschen Dom vorgestellt: ein Buch gegen den Euro und für die nationale Erneuerung der Republik. Die Parteien im Abgeordnetenhaus werfen dem Innensenator jetzt vor, mit der Rede für die Neue Rechte zu werben.

„Der Konservative Jörg Schönbohm hat bis jetzt immer noch einen guten Namen gehabt“, warnt der Sprecher der SPD-Fraktion, Peter Stadtmüller, „in diesem Falle war er jedoch außerordentlich schlecht beraten.“ Stadtmüller zeigt sich angesichts der Anti-Euro-Linie des Buches erstaunt, auf welcher politischen Seite Schönbohm Bündnispartner sieht: „Man wundert sich auch deswegen, weil gerade die CDU-Führung doch entschieden für den Euro steht.“

Die Fraktionssprecherin der Bündnisgrünen, Renate Künast, wirft Schönbohm vor, sich in einer ideologischen „Grauzone“ zu bewegen. „Gerade als Innensenator müßte er sich von einer solchen Ideologie, wie sie in dem Buch verbreitet wird, distanzieren.“ Der PDS-Abgeordnete Freke Over kommentierte: „Der letzte Innensenator, Dieter Heckelmann, hat noch seinen Pressesprecher die Kontakte zur intellektuellen Rechten halten lassen. Schönbohm sollte sich nicht zu deren Fürsprecher machen.“

„Rechts macht mobil. Zum Beispiel in Berlin.“ O-Ton eines Beitrages des SFB-Magazins „Kontraste“ in der vergangenen Woche. Zu sehen ist der Deutsche Dom, dann das Buchcover: „Für eine Berliner Republik“. Und dann tritt Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) ins Bild – als Ehrenredner für die rechten Schreiber.

„Sie wollen Diskussionen erzwingen“, lobt der CDU-Mann die Autoren, „und Diskussionen erzwingt man nur durch griffige und vielleicht auch plakative Formulierungen.“ Schönbohm lobte an diesem Abend keine Unbekannten – und er wußte das. In seinem Umfeld ist zu hören, daß er vor der Laudatio gewarnt worden sei. Seine Antwort, so ein Vertrauter: Er sehe die Notwendigkeit einer solchen Abgrenzungen zur Neuen Rechten nicht. Schwilk und Schacht haben bereits in einem Buch zu plakativen Formulierungen gefunden: In der „Selbstbewußten Nation“. Diese Aufsatzsammlung nationaler bis nationalistischer Plädoyers gilt als Gründungsdokument der Neuen Rechten. Die „Berliner Republik“ ist so etwas wie die Fortsetzung: Sie fordert die Abkehr von der liberaleren Demokratie der Bonner Republik zu einer nationalen Republik in Berlin.

Der Politologe Hajo Funke ist entsetzt: „Das ist ein Abklatsch der „Selbstbewußten Nation“, es besteht aus ähnlich aggressiv nationalistisch gestimmten Texten.“ Funke über Schönbohm: „Ich bin entsetzt über das andere Gesicht dieses freundlichen Mannes.“

Nicht nur die Ideologie, für die Schönbohm die Rede hielt, stört seine Kritiker. Einer der Autoren, Schacht, war zur Bürgerschaftswahl in Hamburg im vergangenen Jahr Kandidat des Bundes Freier Bürger (BFB). Der BFB – ehemals eine rechte Abspaltung von der FDP – hat sich vor zwei Wochen mit der nationalliberalen FDP-Abspaltung Liberale Offensive vereinigt. Gemeinsam kämpfen sie nun für die „nationale Erneuerung“ und gegen den Euro.

Schönbohms Sprecher Thomas Raabe sagte der taz, das Buch entspreche nicht dem Gedankengut des Innensenators. Jörg Schönbohm habe auch an dem entsprechenden Abend klargemacht, daß er in einigen Punkten nicht einverstanden sei. „Aber für den Innensenator ist auch so ein Buch eine Anregung zur Diskussion.“

Der Laudatio Schönbohms hat eine „illustre Gesellschaft“ (O-Ton „Kontraste“) gelauscht. Der Initiator des Berliner Dienstagsgesprächs, eine Herrenrunde an der Grenze zwischen stramm konservativ und rechtsradikal, Hans Ulrich Pieper, war ebenso zu Gast wie der Historikerstreiter Ernst Nolte. Auch Brigadegeneral Hans Helmut Speidel, der Standortkommandant der Hauptstadt, war unter den Gästen. Sein anschließender Kommentar: „Ich wäre lieber nicht hier gewesen.“ Barbara Junge