„Gemeinden haben sonst andere Prioritäten. Aber mit uns geht das“

■ Ein Hort cleverer Ideen, um in einer verkehrsreichen Großstadt dem Klima zu nützen: Dan Leckie, Stadtrat und Präsident des Toronto Atmospheric Fund

taz: Toronto hat bislang am meisten Treibhausgase vermieden. Wie ging das?

Dan Leckie: Wir haben früh begonnen, und wir haben eine dichte Stadtstruktur. Je mehr Leute da wohnen, wo sie einkaufen, Sport treiben und arbeiten, um so effektiver kann man sein Transportsystem organisieren, um so geringer sind die Wege. Wir tun einiges dafür, die Bevölkerungsdichte in der Innenstadt noch weiter zu erhöhen. Es gibt nichts schlimmeres, als wenn die Menschen in der Innenstadt arbeiten und in den Vorstädten wohnen, wo jeder mit dem Auto fahren muß, selbst wenn er nur Erdnüsse kaufen will.

Ist Ihre Innenstadt nicht schon dicht genug besiedelt?

Wir haben verlassene Gebäude und Industriebrachen, alte Eisenbahngelände saniert und bebaut. Und wir haben das Wohnen in einem Industriegebiet mit Lagerhäusern erlaubt. Das verkürzt die Wege: Wir fanden heraus, daß nur jeder Fünfte der Bewohner dort ein Auto hat. Normalerweise sind es vier von fünf. So kann man den Lebensstil beeinflussen.

Das besondere an Toronto ist die Finanzierung.

1992 haben wir den Toronto Atmospheric Fund (TAF) gegründet aus dem Verkauf von Stadteigentum. Der Fonds wird von der Gemeinschaft verwaltet: Ein Drittel des Fonds kommt aus der Verwaltung, ein Drittel aus der Politik und ein Drittel aus Initiativen und Verbänden. Damit finanzieren wir Energiesparmaßnahmen. Das finanziert sich selbst: Wir rechnen die Ersparnis durch eine Maßnahme aus und strecken dieses Geld als Investitionshilfe vor. So lohnt es sich für eine Firma oder einen Haushalt, etwas zu tun. So schrumpft zum Beispiel der Preis eines emissionsarmen Fahrzeugs auf den Preis eines normalen Gefährts.

Welche Fahrzeuge fördern Sie?

Wir konzentrieren uns auf Fahrzeugflotten. Wir sagen, kauf nicht den üblichen Schrott. Überwiegend fördern wir Fahrzeuge mit Gasantrieb, etwa für die Post. Manchmal auch Fahrräder. Unsere Polizei hat gerade die ersten angeschafft. Wir haben schon 18 Partner in diesem Programm.

Was fördern Sie noch?

Vor allem Gebäude. Zuerst waren die 300 öffentlichen Gebäude dran. Normalerweise achten die Gemeinden nicht auf Energiesparen. Sie haben andere Prioritäten für das knappe Geld. Aber mit dem TAF geht das. Immer wenn irgendwo renoviert wird, sind wir auch da und überprüfen die Beleuchtung, die Heizung, die Fenster und so weiter. Wir sagen, wie man sparen kann, verleihen das Geld und lassen es uns aus der Ersparnis zurückzahlen. Jetzt sind die Bürohochhäuser dran.

Und Wohnungen?

Wir haben ein wundervolles Programm mit dem Namen Greensaver. Es gibt eine Bürgerinitiative, wir finanzieren das Büro, die stellen Freiwillige, die von Tür zu Tür ziehen und anklopfen: „Wir möchten mit Ihnen über Ihre Stromrechnung sprechen, wir helfen Ihnen Geld zu sparen.“ Wir bündeln das und geben die Kredite. Die haben schon 4.000 Haushalte besucht.

Wie entwickelt sich der Fonds?

Er wächst. Wir starteten mit 20 Millionen kanadischen Dollar (25 Millionen Mark). Heute umfaßt der Fonds über 26 Millionen. Ein Drittel der Profite stecken wir in die Forschung. Gerade erforschen wir die Kühlung mit Tiefenwasser. Wir wollen wegkommen von den alten stromfressenden Klimaanlagen. Daher entwickeln wir ein zentrales Kühlsystem. Auf dem Grund des Ontario- Sees ist das Wasser das ganze Jahr über vier Grad kalt. Wir verlängern einfach unsere Rohre für die Trinkwasserversorgung und kühlen mit dem Wasser die Häuser im Zentrum. Das spart eine Menge Strom! Interview: Matthias Urbach