Boom auf dem Kasernenhof

Die Philippinen bauen die ehemalige amerikanische Militärbasis Subic Bay zu einer internationalen Freihandelszone für Asien um  ■ Von Susanne Härpfer und Imke Rafael

Kleine Grüppchen von Fledermäusen hängen träge in den riesigen Urwaldbäumen. Ihr Schlafplatz liegt mitten in der ehemaligen Militärbasis Subic Bay auf den Philippinen. Bis 1993 war hier, 60 Kilometer nördlich der Hauptstadt Manila, die amerikanische Armee stationiert. Nach fast hundert Jahren Präsenz hatte sie dann 1993 der philippinische Senat gezwungen abzuziehen.

Das Gebiet besteht zu zwei Dritteln aus primärem Regenwald. Früher haben die GIs hier ihr Survival-Training absolviert. Die Aetas, die Ureinwohner, zeigten ihnen, wie man im Dschungel Feuer macht, wo man Wasser findet und welche Pflanzen eßbar sind. Als die Amerikaner dann abzogen, wurden die Aetas zunächst arbeitslos. Heute zeigen sie Öko-Touristen Flora und Fauna.

„Früher waren die Bäume schwarz von Fledermäusen“, erinnert sich der Aeta Sammy. „Wenn sie um sechs Uhr aufstieben, um auf Beutezug zu gehen, war der abendliche Himmel von ihrem schrillen Kreischen erfüllt.“ Doch mit den GIs zogen auch die meisten Fledermäuse ab. Denn in dem 18.000 Hektar großen Areal wird lärmend gebaut. Die frühere Militärbasis wandelt sich seit 1993 zur internationalen Freihandelszone.

Dort, wo sich vor fünf Jahren GIs auf ihren Einsatz im Golfkrieg vorbereiteten, geben sich heute Wirtschaftsdelegationen aus aller Welt die Klinke in die Hand. Fast 200 Unternehmen haben sich seit 1993 dort angesiedelt, darunter das amerikanische Telekom-Unternehmen AT&T, Shell, Reebok, Thomson sowie der taiwanesische Computer-Gigant Acer. Sie haben 1,2 Milliarden US-Dollar investiert. Fast 30.000 Angestellte und Arbeiter stöpseln Telefone, fertigen Turnschuhe und sorgen für einen reibungslosen Export der Waren. Gleich nebenan liegen drei Traumstrände, deren Zugang früher nach militärischem Rang geregelt war. Heute aalen sich nicht mehr Generäle und Feldwebel im weißen Sand, sondern die Familien der Investoren aus Deutschland, der Schweiz, den USA, Japan und Taiwan. Ihre Ferienquartiere sind die ehemaligen Kasernen.

Die Staatschefs der asiatisch-pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft treffen sich nächste Woche in Subic. Die amerikanische Botschaft empfiehlt bereits den Freihafen als einen der „besten Investmentplätze in Asien“. Fünf Prozent Steuern auf das Netto-Einkommen, politische Unabhängigkeit von der philippinischen Regierung, perfekte Infrastruktur, eigene Stromversorgung, ein internationaler Airport und ein Tiefseehafen machen das Gebiet attraktiv für Investoren. Federal Express ist diesem Rat bereits gefolgt. „Subic ist unser Stützpunkt für ganz Asien“, sagt Michael L. Ducker, Senior-Vize des Unternehmens in Asien. Über 600 Millionen US-Dollar hat Federal Express bereits investiert.

Niemand hatte mit einem Wirtschaftsboom gerechnet, als die amerikanischen Soldaten von ihrem größten Übersee-Stützpunkt abzogen – zumal im Juni 1991 der Mount Pinatobu das Gebiet in Schutt und Asche gelegt hatte. Infrastruktur und Anlagen im Wert von acht Milliarden US-Dollar drohten zu verfallen. Über 42.000 Angestellte und Arbeiter verloren ihren Job. Eine Katastrophe für ein Land wie die Philippinen, in dem ein Großteil der Bevölkerung unter dem Existenzminimum lebt.

Die ökonomische Lage ist schlecht, das politische Image ramponiert. Die Philippinen gelten als Hort kommunistischer Guerilla, moslemischer Aufständischer und brutaler Banden. Präsident Fidel Ramos will das Ansehen seines Landes aufpolieren. Viele befürchten deshalb die Wiedereinführung des Kriegsrechtes, besonders da er im Januar schon versucht hatte, ein sogenanntes Antiterrorismus-Gesetz verabschieden zu lassen.

Doch Richard Gordon, ehemaliger Bürgermeister und Gründervater der Freihandelszone Subic, ist zuversichtlich. Er schöpft einen Teil seines Optimismus aus dem Schicksal Hongkongs: „Dieser ,Verkehrsunfall der Geschichte‘ ist für uns eine einmalige Chance.“

Die Deutschen interessieren sich ebenfalls für das Gebiet – insbesondere, weil der Hafen privatisiert werden soll. Die Hamburg Port Consult (HPC) will zusammen mit der Hamburger Hafen- und Lagerhausgesellschaft (HHLa) das Management übernehmen, wenn die Bedingungen stimmen. Klaus Schmöcker von der HPC-Geschäftsleitung sagt: „Wichtig sind vor allem die Konzessionsabgaben, nur eine perfekte Infrastruktur und die Bereitstellung aller Anlagen reichen nicht aus.“ Doch die zumindest sind außergewöhnlich gut, wie Gunter Klatt, ebenfalls von HPC, bestätigt: „In Subic liegt furchtbar viel Geld in Beton – mit Zusatzinvestitionen ist da richtig Geld zu machen.“ Außerdem seien die geographische Lage und die Grundstabilität der Philippinen gut. „Der Hafen Manila ist bis zum Stehkragen voll“, sagt Klatt, „doch wie Kunden akquiriert werden können, ist noch unklar.“ Außerdem sei der Hafen auf militärische Nutzung ausgerichtet. „Es fehlen zum Beispiel Lagerhallen und Containerbrücken direkt am Kai, weil sie bislang als ,weiche Ziele‘ galten“, sagt der Asien-Referent Uwe Ram von der Hamburger Wirtschaftsbehörde.

Das notwendige Kapitalaufkommen ist so groß, daß HPC einen philippinischen Partner sucht. Ein heimische Konkurrent jedoch hat schon bei Fidel Ramos interveniert: Er will das Geschäft lieber allein machen. Daher bilden erst einmal kleinere deutsche Unternehmen wie Royal Cargo und Brewtech die Vorhut, die bereits in Subic ansässig sind. Außerdem sind Lufthansa, Germanischer Lloyd und die Handelskammer an Consulting-Aufträgen interessiert.

Eine Werbebroschüre von Subic Bay preist die Freihandelszone als Vorbild für gelungene Rüstungskonversion. Doch dies hat einen hohen Preis: Nur 6.000 Hektar Wald sind unter Schutz gestellt. Der Rest besteht aus einer 4.000 Hektar großen Puffer-Zone, in der eigentlich der Wald vorherrschen sollte. Doch die Filipinos erlauben hier auch den Bau von Golfplätzen und Textilfabriken. Papier-, Zement-, Stahl- und Petro-Chemie sind bislang nicht erlaubt, doch die Kontrolle ist schwer durchführbar. May Flor, Direktorin der Umweltaufsichtsbehörde in Subic, hat nur elf Angestellte und die hundert Waldaufseher sind auch für die Sicherheit im Hafen und in der Stadt zuständig. Falls tatsächlich einmal ein Umweltsünder ertappt wird, fallen die Strafen gering aus, denn der Aufsichtsbehörde stehen kaum Mittel zur Durchsetzung zur Verfügung.

Zwar schüttet die Weltbank 20 Millionen Dollar für zehn schützenswerte Gebiete in den Philippinen aus. Doch für Subic bleiben nur 200.000 Dollar, verteilt auf sieben Jahre. May Flor klagt: „Das müssen wir uns auch noch mit dem Bataan-Park teilen.“ Doch in diesem benachbarten „Nationalpark“ sind alle Bäume längst abgeholzt, wie die Luftaufnahmen zeigen. Mit jedem Hektar Regenwald, der hier verschwindet, verschwindet auch eine mögliche Einkommensquelle für Aeta Sammy. Er weiß um die Heilkräfte des Waldes. Er kennt Pflanzen wie Hakbat und Derita gegen Malaria, nach denen Pharma-Unternehmen weltweit fahnden. Doch die Filipinos bauen lieber weiter Golfplätze.