Mobbing-Beratung nur für Reiche

■ Die Krankenkassen lehnen Mobbing-Beratung auf Krankenschein ab. In der ersten Mobbing-Beratungsstelle in Mitte ist man sauer und verweist auf die Folgekosten

Noch vor kurzem als neue soziale Errungenschaft gepriesen, scheint die Mobbing-Beratung auf Krankenschein schon wieder der Vergangenheit anzugehören. Betroffene, die bei der vor vier Wochen eröffneten Mobbing-Beratungsstelle am Köllnischen Park in Mitte Unterstützung suchten, erlebten jetzt eine herbe Enttäuschung. Entgegen vorheriger Zusagen lehnten mit Ausnahme der kleinen Schwäbisch-Gmünder Krankenkasse alle Kassen die Kostenübernahme für die Beratung ab.

Grund für diesen Rückzieher ist die Sparpolitik der Bundesregierung, die radikale Einschnitte bei der Gesundheitsvorsorge vorsieht, obgleich diese nur ein Prozent der Kosten im Gesundheitsbereich ausmacht. So ist die Mobbing-Beratung zusammen mit Atemtherapie und Babymassage auf die sogenannte Negativliste der Krankenkassen geraten.

Auf dieser werden alle Angebote der Kassen aufgeführt, die wegen „zu geringer Wirtschaftlichkeit“ nicht weiter finanziert werden sollen. Kati Jauhiainen von der Mobbing-Beratungsstelle empfindet diese Begründung allerdings als Hohn: „Gerade die Mobbing- Beratung erfüllt das Kriterium der Wirtschaftlichkeit in vorbildlicher Weise.“

Durchschnittlich 40.000 Mark, so die Diplompädagogin, entstünden bei einem Mobbing-Betroffenen, wenn er ein halbes Jahr krank ist. Demgegenüber kommt die Mobbing-Beratung eindeutig günstiger. 12 bis 14 Beratungsstunden im gleichen Zeitraum kosten um die 1.000 Mark.

„Da wird der Wirtschaftlichkeitsbegriff auf den Kopf gestellt“, meint auch der Chef der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV), Birkhan. Die Gewerkschaft hatte die Einrichtung der Beratungsstelle unterstützt, weil sich die Mobbing-Fälle bei HBV-Mitarbeitern häuften und die Betriebsräte von der damit einhergehenden psychischen Problematik überfordert waren. Daher war auch die HBV bereit, Miete und Sachkosten des Projektes zu tragen. Nun will die Gewerkschaft „alle politischen Möglichkeiten nutzen“, um die Krankenkassen doch noch zum Umdenken zu bewegen.

Trotz der fehlenden Kostenübernahme ist der Run auf die Beratungsstelle groß. „In normalen psychologischen Beratungen fühlen sich die Hilfesuchenden nicht richtig verstanden“, erklärt Kati Jauhiainen das Interesse. Demgegenüber kann die Mobbing-Beratung mit einem Fünf-Schritte-Konzept aufwarten, das speziell auf die jeweilige Berufssituation zugeschnitten ist. Nach einer Arbeitsplatzanalyse und einer rechtlichen Abklärung wird in Rollenspielen das Gespräch mit Chef und Mitarbeitern trainiert. Einer der wichtigsten Bestandteile der Beratung ist der systematische Wiederaufbau des Selbstwertgefühls, das bei vielen Ratsuchenden durch das Mobbing zerstört worden ist.

Sollte die Mobbing-Beratung jedoch nur Selbstzahlern zugänglich bleiben, hätten finanziell Schwächere wohl kaum eine Chance, aus dem Teufelskreis von Angriffen und Selbstabwertung herauszukommen, der typisch für Mobbing-Opfer ist. Kati Jauhiainen hofft daher, daß doch noch eine Finanzierungsmöglichkeit gefunden wird, die allen Betroffenen den Besuch der Beratung erlaubt. Dagmar Schediwy