■ Tibet-Politik: Die Dalai-Lama-Verehrung in Deutschland
: Ahnungslose Schwärmerei

Als Anführer der Gelugpa (= Gelbmützen), einer der vier Sekten des tibetischen Buddhismus, versteht sich der heute 61jährige Tentzin Gyatsu als 14. Wiedergeburt seiner Amtsvorgänger. Diese übten, protegiert durch die Mongolen, seit Mitte des 13. Jahrhunderts die religiöse und politische Herrschaft in Tibet aus. 1728 kam Tibet in den Herrschaftsbereich der chinesischen Manchus, die innenpolitische Macht aber blieb bei den Gelbmützen. Nach dem Einmarsch der Briten 1904 in Lhasa verstärkte China seine Präsenz in Tibet. 1914 wurde innere Autonomie für Tibet unter dem Protektorat Chinas beschlossen.

Der Dalai Lama ist keineswegs demokratisch legitimiert, sondern wurde aufgrund astrologischer und sonstiger Zufallsdeutungen von der Gelugpa für seine Rolle ausgewählt. Als Inkarnation der Mythenfigur Chenrezi beansprucht er göttlichen Status.

Die Doktrin der Gelbmützen ist ein abstruses Konglomerat aus Geister- und Dämonenglauben, verbunden mit menschenunwürdigen Unterwerfungsritualen. Wie jede Religion basiert sie wesentlich auf raffiniert geschürter Angst vor dem Jenseits. Besonders widerwärtig, daß bis heute übliche Praxis ist, Kinder schon in frühestem Alter ihren Eltern wegzunehmen und sie zu willfährigen Handlangern eines spirituell verkleisterten Ausbeuterregimes zu machen.

In einem der ärmsten und rückständigsten Länder dieser Welt leistete sich der Dalai Lama eine feudale Palastanlage (Potala) mit mehr als 1.000 Prunkräumen. Mittels eines Netzes von über 6.000 Klosteranlagen wurden Land und Menschen gnadenlos ausgebeutet. Jeder Ansatz zu Selbstbestimmung wurde mit Gewalt verhindert: Folter und Verstümmelung waren bis in dieses Jahrhundert hinein üblich.

Die Tibet-Schwärmerei des hiesigen Bürgertums ist reine Projektion, basierend auf grober Unkenntnis der historischen Zusammenhänge sowie Identifikation mit einem System sozialer Ungerechtigkeit. Zugleich ist das Hochloben des lamaistischen Feudalismus in Tibet mit seiner religiös verbrämten Versklavung der Menschen Zynismus ohnegleichen: Diktatur des Lamas versus Diktatur der Chinesen – welche Alternative. Jutta Ditfurth/Colin Goldner

Die AutorInnen dieses Gastkommentars setzen sich seit Jahren publizistisch mit rechten Esoterikströmungen auseinander. Beide haben Tibet mehrfach bereist.