Bundesregierung soll Lage in Bosnien überprüfen

■ Innenministerkonferenz sieht Voraussetzungen für Abschiebung bosnischer Flüchtlinge noch nicht als gegeben. Schwere Vorwürfe gegen das Auswärtige Amt

Bonn (taz) – In der Bundesrepublik lebende bosnische Kriegsflüchtlinge müssen offensichtlich nicht damit rechnen, schon vom 1.Juli an in ihr Herkunftsland abgeschoben zu werden. Die Innenministerkonferenz von Bund und Ländern kam gestern in Bonn zu dem Ergebnis, daß die Voraussetzungen für eine Rückführung der Flüchtlinge noch nicht gegeben sind. Die Minister trafen gestern keine Entscheidung über einen Termin, von dem an zwangsweise Rückführungen angeordnet werden sollen.

Die Innenpolitiker bekräftigten nach Auskunft von Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) allerdings prinzipiell ihren Entschluß vom Januar, wonach vom 1.Juli an auch Ausweisungen von Flüchtlingen möglich wären. Sie forderten aber die Bundesregierung auf, zu klären und zu entscheiden, wann in Bosnien-Herzegowina die Voraussetzungen für eine Rückkehr der Flüchtlinge gegeben seien. Kanther sagte, die Umsetzung des zivilen Teils des Dayton-Abkommens gehe im Vergleich zu den ursprünglichen Erwartungen nur schleppend voran. Der niedersächsische Innenminister Gerhard Glogowski (SPD) erklärte eindeutig, das ursprüngliche Vorhaben, am 1.Juli mit der Rückführung zu beginnen, sei „vom Tisch“. Bundesinnenminister Kanther wollte dagegen nicht ausschließen, daß eine Abschiebung in einzelne Regionen bis dahin möglich werden könne. Schwere Vorwürfe erhoben die Innenminister gegen die deutsche Außenpolitik. So sei es es ein schwerer Fehler gewesen, die Bundesrepublik Jugoslawien anzuerkennen, ohne an diesen Schritt Bedingungen für die Behandlung rückkehrwilliger Flüchtlinge in die Region abhängig zu machen. Das Auswärtige Amt wurde aufgefordert, detaillierte Berichte über die Lage in den Rückkehrgebieten vorzulegen und den deutschen Einfluß geltend zu machen, damit die ehemaligen Bürgerkriegsparteien die von ihnen im Dayton- Vertrag zugesicherten Schritte für den Wiederaufbau einer multiethnischen Gesellschaft einhalten würden. Zudem solle die Bundesregierung Abkommen mit Transitstaaten schließen, um Flüchtlingen „Schnupperreisen“ (Kanther) zu ermöglichen.

Fraktionssprecherin Kerstin Müller von den Bündnisgrünen kritisierte gestern, die Länderminister hätten ihre Verantwortung an den Bund abgegeben und nannte den Beschluß „menschlich unverantwortlich“. Die verunsicherten Flüchtlinge würden weiterhin in Ungewißheit über ihre Zukunft gelassen. Vor der Tagung der Minister hatten auch die Ausländerbeauftragten von Bund, Ländern und Gemeinden sowie das UN- Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) davor gewarnt, die ersten Flüchtlinge schon von Juli an zurückzuschicken. Hans Monath