Sanssouci
: Vorschlag

■ Wo die Fußnoten rollen: Red Krayola im Huxley's

Die Beatles hält Mayo Thompson für enorm bedeutend: „John, George, Ringo and Paul, it really doesn't matter at all.“ Für die Stones, die gerade wieder ihr eigenes Rocklexikon live aufblättern, dürfte dasselbe gelten. Thompson selbst, der Initiator von Red Krayola und mit dreißig Jahren Rockgeschichte auf dem Buckel auch nicht mehr der Jüngste, hält sich lieber an die auch nicht ganz unwichtigen Fußnoten: Seine Geschichte ist höchstens als Abziehbild oder Negativ zum herrschenden Kanon zu verstehen. Die erste Red-Crayola-Platte, damals noch mit einem großen C vorn, erschien 1966 auf dem erwiesenermaßen „psychedelischen“ „13th Floor Elevators“-Label. Darauf schnitt Thompson Beefhart und Roky Erikson in feinste Scheiben, meinte mit Rock und Psyche auch Kunst und ließ so was wie einen Beat einen gute Fredi sein; viel war erlaubt, bloß keine Spuren. Dann wurde geprobt, installiert, konzeptualisiert, gab es obskure Sessions, eine andere Platte; später ging Thompson nach England, erlebte New Wave, die er mit einem Red-Krayola-Album eigens neu definierte; danach trieb er sich in Deutschland herum, koppelte Popmusik mit bildender Kunst, schaffte mit Albert Oehlen und Werner Büttner. Mitte/Ende der 80er arbeitete er bei Rough Trade, produzierte Bands wie Primal Scream, Chills oder Blow Up, schrieb einen Song für Jarmans „The Last Of England“ und machte den dazugehörigen Soundtrack.

Und nun wieder Red Krayola. Auch diesmal sind keine Helden von den großen Highways dabei, sondern Erneuerer und losgelöste Tonsetzer, Kunstrocker, von mir aus: Dave Grubbs, ehemas Slint, Bastro und Gastr Del Sol, Tom Watson von Slovenly und Overpass, John McEntire von Tortoise und Sea And Cake lassen sich u.a. als Namen droppen. Das sagt alles. Thompson zischelt, die anderen tupfen mit den Gitarren die Töne, den Baß als Soundhalter gibt es nicht. Musik, die sich Deutungen bewußt entziehen will: mal ein fünfminütiges Riff mit der einzigen Zeile „People Get Ready“, mal gemütliches Rummelplatzschunkeln, mal ganz kindlich die beliebte Gretchenfrage: „How many stairs must a man walk down, before he can be called a man.“ Hoffentlich niemals, meinen diese Songskizzen, schrummen durch die Tonleiter, igeln sich ein, genügen sich aber nie; und Thompson ist mächtig klein, will nicht wachsen oder reifen. Seine Musik beginnt immer wieder neu, entzieht sich Stück für Stück, Ton für Ton den „großen“ Zusammenhängen/Einheiten und – wichtig! – läßt maximal die Fußnoten rollen. Gerrit Bartels

Heute, 21.30 Uhr, Huxley's jr., Hasenheide 108–114, Neukölln