Noch trauen sich nur wenige Polizisten

Lesbische und schwule PolizistInnen kämpfen für Akzeptanz am Arbeitsplatz / Arbeitskreis gegründet / Beleidigungen und Mobbing durch Kollegen gehören bisher zum Alltag  ■ Von Gesa Schulz

„Drohbriefe haben wir noch nicht bekommen. Aber spätestens jetzt müssen wir damit rechnen“, meint der Polizeibeamte Burkhard Gieseler. Doch nicht wegen rüpelhafter Polizeimethoden rechnet er mit unerfreulicher Post. Mit einigen Kollegen hat Gieseler vor zwei Monaten den Verein „Homosexueller Arbeitskreis Polizei“ (HAPol) Berlin-Brandenburg gegründet. „Wir müssen damit rechnen, daß es einige rechte Kräfte in der Polizei gibt, die uns nicht verstehen können oder wollen“, beurteilt er die Situation innerhalb der Polizei.

Mobbing-Opfer

Über das Ausmaß an Diskriminierung schwuler und lesbischer KollegInnen hat Gieseler einen genauen Überblick. Er arbeitet eng mit dem Beauftragten für gleichgeschlechtliche Lebensweisen bei der Berliner Polizei, Heinz Uth, zusammen. „Bei einem Kollegen, der geoutet war, gab es keine andere Lösung, als ihn in eine andere Dienststelle zu versetzen. Der war einem regelrechten Mobbing ausgesetzt. Das war so kraß, daß er deshalb eine psychotherapeutische Behandlung brauchte, um überhaupt wieder auf die Beine zu kommen“, erzählt Gieseler. Der HAPol möchte in solchen Situationen dazu beitragen, das Selbstbewußtsein von homosexuellen PolizistInnen zu stärken. Durch seine Erfahrungen verübelt es Gieseler aber niemandem, sich nicht offen zur Homosexualität zu bekennen.

Sechzehn Gründungsmitglieder hat der HAPol, die Zahl der Interessierten ist wesentlich höher. Weil die Gründungsmitglieder laut Vereinsgesetz namentlich erwähnt werden müssen, schreckten jedoch einige davor zurück, sich offiziell zu beteiligen. In den meisten Fällen wissen nur einige gute Freunde von der Homosexualität. „Sich richtig zu outen heißt für mich, auf den Betriebsfeiern mit dem Freund zu kommen. Oder offen zu sagen, ich war mit meinem Freund unterwegs, wenn die anderen von ihren Weibergeschichten erzählen. Das sind ganz wenige, bei denen das so offen ist“, so Gieseler. Durch verstärkte Präsenz hoffen die HAPol-Gründer, langfristig das Klima innerhalb der Polizei so verbessern zu können, daß diese Ängste überflüssig werden. „Veränderungen von heute auf morgen können wir natürlich nicht erwarten“, schätzt er die Situation realistisch ein.

Frauen fehlen noch

Zur Zeit ist man bei dem HAPol noch voll und ganz mit den Formalien der Vereinsgründung beschäftigt. Langfristig soll durch die Arbeit das Verhältnis zur Polizeiführung, aber auch zur Bevölkerung verbessert werden. Richtig ins Schwärmen gerät Gieseler, wenn er über die jetzt schon vorhandene Akzeptanz bei schwulen Organisationen erzählt. „Der Schwulenverband, die Schwusos, das Referat für gleichgeschlechtliche Lebensweisen, die haben sich alle unglaublich für uns eingesetzt. Gerade als es um die Fortführung der Arbeit von Heinz Uth ging, der demnächst pensioniert wird, haben die uns ganz toll unterstützt“, freut sich Gieseler.

Um diese Ansätze weiter auszubauen, wollen die Vereinsmitglieder möglichst sichtbar sein. Beim CSD-Fest am Nollendorfplatz beispielsweise, wobei Gieseler ein wenig bedauert, daß er als Mitarbeiter der polizeilichen Sozialberatung im Dienst sein wird. „Ich würde natürlich viel lieber privat dort hingehen und Sekt trinken“, meint er. Gieselers größter Wunsch für die nächsten Wochen ist, daß die Lesben den Weg in den Verein finden. „In Frankfurt gibt es eine ähnliche Gruppe mit zwanzig Frauen und drei Männern. Bei uns ist bis jetzt keine einzige Frau, dabei würden wir das sehr begrüßen“, so Gieseler.

Nicola Tuschwitz, lesbische Polizistin aus Hamburg, erklärt sich diese Tatsache mit der „Radikalität“ der Berliner Lesben. „Wir kämpfen erst mal gegen Diskriminierung an sich. In Berlin gibt es sehr engagierte Lesben, die meinen, für Schwule werde wesentlich mehr getan. Deshalb wollen sie lieber etwas eigenes aufziehen“, so Tuschwitz. In vielem beneidet die Hamburgerin ihre Berliner KollegInnen: Ein Verein wie der HAPol ist in Hamburg noch nicht in Sicht, einen Beauftragten für gleichgeschlechtliche Lebensweisen gibt es ebenfalls nicht. In einem Punkt ist die Situation in Hamburg allerdings unvergleichlich besser. „Ich habe noch von niemandem gehört, daß es negative Reaktionen auf das Outen gab.“