„Was haben wir falsch gemacht?“

■ Verfahren wegen schweren Landfriedensbruchs eingestellt

Ein Rollenspiel, das aus dem Ruder gelaufen ist. So bezeichnete gestern der Richter des Amtsgerichtes Tiergarten den Ausgang eines Ausflugs Kreuzberger Schüler nach Marzahn im vergangenen November. Gemeinsam mit ihrer Religionslehrerin G. Müller wollten die deutschen und türkischen Schüler einer achten Klasse der Hans-Sachs-Schule im Rahmen eines Projektkurses einen Film über Gewalt drehen.

Die vorwiegend türkischen Schüler hatten sich durch rechtsradikale Provokationen Marzahner Jugendlicher angegriffen gefühlt und diese in die Flucht geschlagen. Eine Auseinandersetzung hatte nicht stattgefunden. Zivilpolizisten hatten anschließend acht Kreuzberger Schüler festgenommen, eine erkennungsdienstliche Behandlung und ein „Schlußverhör“ in der Kreuzberger Hans-Sachs- Schule sorgten für ein Nachspiel im Rechtsausschuß.

Gestern mußten sich drei Kreuzberger Schüler wegen schweren Landfriedensbruchs vor Gericht verantworten. Eine Provokation durch Marzahner Jugendliche konnte das Gericht nicht feststellen. Auch wenn es eine gegeben haben sollte, hätten sich die Angeklagten „zurücknehmen“ müssen, so der Richter. Das Gericht stellte das Verfahren vorläufig ein und wies die Schüler zu sechs und vier Freizeitarbeiten an. Zur Begründung führte der Richter an, daß die Angeklagten aus dem Vorfall gelernt hätten und die Kontakte, die zwischen den beiden Schulen entstanden sind, die beste Möglichkeit seien, Vorurteile abzubauen. Auch Oberstaatsanwalt Carlo Weber, der als Vertretung eines Kollegen gekommen war, sieht zwischen der harten Anklage und dem milden Urteil keine Diskrepanz: „Die Uhren des Jugendstrafrechtes gehen trotz der Schwere des Vorwurfs anders.“

Mile, der bei der Festnahme eine Gaspistole in der Hand gehabt hatte, aber auch Bülent und Hamit können mit dem Urteil leben. „Wir wollen mit denen reden, was wir und die falsch gemacht haben“, sagte Hamit. Dazu wird morgen Gelegenheit sein, wenn sich Marzahner und Kreuzberger Schüler zu einem Gespräch treffen. Hans-Joachim Ehrig, einer der Anwälte der Angeklagten, sieht in dem Urteil eine „Weiterführung der pädagogischen Bemühungen der Lehrer“. Barbara Bollwahn