■ Schirm & Chiffre
: Schlanke Anstalt

Die Hauptstadt im Spiegel des Regionalfernsehens – Folge 3: „Brandenburg aktuell“/ORB

Nach SFB und IA bewirbt sich der ORB in unserem kleinen TV-Contest um die beste Hauptstadtberichterstattung. Allein schon die bevorstehende „Länderehe“ zwischen Berlin und Brandenburg verlangt, gesteigertes Augenmerk auf den Babelsberger „Barackensender“ zu richten. Im Falle einer Fusion käme es zur Zusammenlegung von SFB und ORB, was nicht nur rationell wäre, sondern auch frischen Wind in den im Mauerschatten gut abgehangenen SFB bringen könnte.

So soll es nicht stören, daß die Hauptstadtberichterstattung bei „Brandenburg aktuell“ derzeit eher marginal ist. Wir schauen – sozusagen prophylaktisch –, was der Sender grundsätzlich zu bieten hat. Und tatsächlich schneidet die junge Anstalt des öffentlichen Rechts nicht schlecht ab. Die Berichterstattung ist zwar ähnlich tumb wie die des SFB, doch übt man sich beim ORB wenigstens in Bescheidenheit. Vorgetragen wird hier nicht im diepgenschen Brustton der Überzeugung, sondern im stolpesken In dubio pro reo, und überhaupt ist alles recht spartanisch.

Spröde und karstig wie die Landschaft. Ohne Anstrich von Glamour und Sensationsheische. ModeratorInnen sind hier einfach nur ModeratorInnen. Die dienende Funktion geht vor Selbstdarstellung. Anheimelnd auch die graphische Gestaltung. Die Hintersetzer in den Nachrichten sehen aus, als seien sie mit Rubbelbuchstaben und Gummiarabikum gefertigt. Ein Hauch von Intershop und Spurenelemente von DDR-Dekor verweisen dezent auf die Geschichte.

Auffällig an „Brandenburg aktuell“ ist, daß darin auch ein Block mit Auslandsnachrichten vorkommt. Es entsteht ein eigenartiges Vexierspiel zwischen dem Globalen und dem Lokalen. Der Blick aufs bosnische Kriegstreiben prallt auf die neuen Verordnungen für den Sportbootverkehr. Kanzler Kohl kauert im fernen Jordanien auf einem putzigen Diwan, während in Cottbus die 500.000. Buga-Besucherin ein Blumengebinde entgegennimmt.

Das Weltgeschehen miniaturisiert sich gleichsam in der brandenburgischen Streusandbüchse: Die Firma „Frankotyp-Postalla“ hat Birkenwerder angemeiert. In Zehdenick wird ein neues AWO-Heim eingeweiht. In Zechlin bei Rheinsberg öffnet eine Fachklinik für Lymphdrainage ihre Pforten.

Und am Ende gibt's dann manchmal (nur an Feiertagen?) als grandiose Epiphanie des in die Provinz geflohenen Weltgeistes die Familie Holle. Das ist die ORB- Trash-Soap-Opera für Hartgesottene. Der Plot ist handgeschnitzt, von Laien in Szene gesetzt und frei von allen Professionalitätsansprüchen abgedreht. Hier hat der ORB das Aldi-Fernsehen erfunden. So schlank, schlanker geht's nicht. Martin Muser