Eine Amnestie stiftet keinen Frieden

Grüne fordern weitere Auseinandersetzung mit dem SED-Regime / MfS-Mitarbeiter sollen weniger Rentenansprüche haben / Stiftung soll für gesellschaftliche Aufarbeitung sorgen  ■ Aus Bonn Karin Nink

Die Bündisgrünen wollen eine vollständige strafrechtliche und gesellschaftspolitische Aufarbeitung des SED-Unrechts. In einem Antrag, den sie mit Bürgerrechtlern beraten und in das Parlament eingebracht haben, fordern sie eine Reform des Rentenüberleitungsrechts und lehnen eine Amnestie von politisch motivierten Straftaten in der DDR ab.

Bürgerrechtlerin Ulrike Poppe warnte: „Eine Amnestie würde die friedensstiftende Wirkung verfehlen, wenn sie über die Köpfe der Opfer hinweg verfügt würde.“ Gleichzeitig sprechen sich die Bündnisgrünen dafür aus, die Verlängerung der Verjährungsfristen wie beschlossen Ende 1995 und Ende 1997 auslaufen zu lassen. „Obwohl eine vollständige Aufarbeitung schon wegen der noch lange nicht beendeten Akteneinsicht durch die Opfer bis zum Ende der jetzt gültigen Verjährungsfristen nicht möglich sein wird, würde eine erneute Verlängerungsfrist zu nicht hinnehmbaren Ungleichgewichten beim Umgang mit bestimmten Delikten in Ost und West führen“, heißt es. Damit stimmen die Grünen aber nicht mit allen Bürgerrechtlern überein. Poppe etwa plädiert für eine Verlängerung, weil viele Opfer noch keine Akteneinsicht hätten nehmen können. Die Rentenzahlungen sollen nach dem Willen der Grünen nicht mehr abhängig von der einstigen „Staats- und Systemnähe“ der Empfänger sein, wie dies das Rentenüberleitungsrecht vorsieht, denn „das Rentenrecht darf nicht dazu verwendet werden, politische Urteile zu exekutieren“. Die Ausnahme gilt für MfS-Mitarbeiter, weil diese im Vergleich zu den übrigen Einkommen extrem überhöhte Gehälter bekommen hätten, die dann die Grundlage für die heutige Rentenzahlung sei. In diesen Fällen soll bei der Rentenberechnung das ortsübliche Einkommen bei vergleichbarer Tätigkeit zugrunde gelegt werden. Auch soll die Regelung für die Beschäftigung ehemaliger MfS-Mitarbeiter im öffentlichen Dienst reformiert werden. Grundsätzlich wollen die Grünen MfS-Tätigkeiten vor 1975 nicht mehr berücksichtigen.

Desweiteren fordern sie, die Entschädigung für die Opfer zu verbessern und die Antragsfristen zu verlängern. Die Fristen laufen nach Ende dieses und Ende nächsten Jahres aus. Der Zugang zu Akten des MfS soll nicht eingeschränkt werden. Da mit der Enquete-Kommission des Bundestages nur die strafrechtliche und politische Aufarbeitung geleistet werden könne, soll eine öffentlich- rechtliche Stiftung gegründet werden, die auch die gesellschaftliche Aufarbeitung des SED-Unrechts betreibe. Die Grünen hoffen auf eine parteiübergreifende Initiative in der Enquete-Kommission.