Betr.: Marcel Reich-Ranicki

Marcel Reich-Ranicki, der heute 75 wird, ist ein TV-Pionier. Seit 1989 ist er der Star des „Literarischen Quartetts“, einer der erfolgreichsten Familienserien des deutschen Fernsehens – der ersten überhaupt, in der Echtmenschen ohne Drehbuch vor laufender Kamera frei von der Leber weg reden. Reich-Ranicki, der den pater familias gibt, eine Figur zwischen Vater Hesselbach und Alfred Tetzlaff, extemporiert zum Leidwesen seiner um den Abendbrottisch gescharten Kinder (S. Löffler, H. Karasek) unermüdlich über aktuelle literarische Neuerscheinungen. Postmoderne Kritiker haben in seinen Auftritten eine „Dekonstruktion des Diskurses des bildungskleinbürgerlichen Phallogozentrismus“ sehen wollen, eine Leistung, für die Reich-Ranicki, der nach einer abgebrochenen Geheimdienstlaufbahn über die Literaturkritik zum Fernsehen kam, mit dem „Bambi“ ausgezeichnet wurde. Foto: J.H. Darchinger