Mittendrin in der Gesellschaft

■ Interview: Juppi von der UFA-Fabrik zum Kommunetreffen in Berlin und zum Stand der Bewegung / Sicher, daß in den nächsten Jahren ein Kommune-Boom kommt

Vom 1. bis 5. Juni treffen sich in der UFA-Fabrik rund 20 Kommunen aus Deutschland. Juppi lebt seit 23 Jahren in Kommunen und gründete vor 16 Jahren die UFA-Fabrik mit.

taz: Wieviel Gäste kommen?

Juppi: (lacht) Wir hatten mal gesagt, daß vielleicht aus jeder Kommune zwei, drei Leute kommen könnten, aber eine Kommune kommt schon mit 35 Leuten. Jetzt, wo das in Berlin ist, wollen natürlich gleich alle mitfahren, und bevor es da zu Hause Ärger gibt, ist es uns inzwischen auch egal. Wer kommt, der kommt.

Wie sieht denn heute die typische Kommune aus?

Das Selbstbewußtsein ist heute viel größer, als es früher war. Die Leute kommen da hin und wissen, daß sie etwas Langfristiges machen wollen und nicht nur ein Experiment. Es ist wichtig, daß man zusammenlebt, daß man seine Probleme, seinen Spaß und seinen Ärger teilt und daß man Solidarität hat, wenn man sie braucht. Nicht so, wie das sonst oft ist, wenn da zum Beispiel einer jahrelang seine Rente einbezahlt und sich hinterher keiner um ihn kümmert.

Geht es in Kommunen noch um die Idee der freien Liebe?

Natürlich versucht jeder, seinen Sex so angenehm wie möglich zu gestalten, aber wenn ich keine anderen Sorgen habe, ist das ja kein normales Leben. Wichtig ist, daß man in der Kommune versucht, nicht nur auf einem Gebiet, sondern auf dem ganzen gesellschaftlichen Gebiet weiterzukommen.

Die Kommunen sind doch eher ein Ort außerhalb der Gesellschaft.

Nö, das kann man nicht sagen. Man könnte dann ja auch sagen, die Familien sind ein Ort außerhalb der Gesellschaft, und die gehen kaputt. Für mich sind Kommunen neue, selbstgewählte Familien, nachdem die Familien an Neid und Konkurrenzdruck kaputtgegangen sind. Da versucht man eben mit Leuten, die das geistig drauf haben und nicht nur mit Blutsverwandten, sein Leben wieder in Gemeinschaft zu organisieren.

Habt ihr weiter den Anspruch, auf die Gesellschaft zu wirken?

Das tun wir bereits durch unsere Existenz. Das läuft ja automatisch. Ich weiß nicht, ob man auf jemanden wirken soll. Wegen mir muß sich niemand verändern, nur wegen sich selber muß er sich ändern.

Gibt es Zulauf zu den Kommunen, oder werden es weniger?

Die Zahl bleibt etwa gleich. Neue Kommunen entstehen heute eher als Ökobauernhof auf dem Land als in der Stadt. Aber ich denke mir, wenn ich mir die Weltlage angucke, daß in den nächsten Jahren die Kommunen einen großen Boom kriegen werden. Ich rieche das.

Habt ihr Kontakt zu Kommunen in Ostdeutschland?

Ja, klar. Natürlich gibt es in Ostdeutschland weniger und noch nicht so alte Kommunen, aber es gibt welche. Es werden auch neue gegründet. Manche aus dem Westen gehen jetzt auch dorthin, weil da mehr Platz ist.

Wie alt sind die Neueinsteiger?

Zwischen 20 und 30 Jahre. Wenn die Kommune länger existiert, ist es anders. Uns ist erst lange Zeit nach unserer Gründung klargeworden, daß eine Gesellschaft nur existiert, wenn auch Kinder und Menschen bis ins hohe Alter dabei sind. Alles andere ist künstlich.

Was tut die zweite Generation? Bleiben die Kinder da, oder ziehen sie weg, sobald sie alt genug sind?

Bei uns ist es so, daß Kinder und Jugendliche, die so mit zehn, zwölf Jahren dazukamen oder auch früher, heute noch dabei sind. Die haben sich inzwischen ausgebildet, waren eine Zeitlang weg, in Amerika oder sonstwo, und sind heute wichtige Mitglieder unserer Gemeinschaft. Und die, die bei uns auf die Welt gekommen sind, die sind alle so um die zwölf Jahre alt und gehen bei uns auf die Freie Schule. Da müssen wir sehen, wie die sich weiterentwickeln. Auf jeden Fall machen die mir heute schon viel Spaß und Freude.

Du glaubst, daß sie bleiben?

Das weiß ich nicht. Die können machen, wie sie wollen. Aber man muß nicht mehr unbedingt weg von zu Hause. Bei uns war es ja so, daß wir überhaupt nichts von unseren Vätern hatten. Wir haben ja nie gesehen, was der Alte macht, hier ist das ja ein ganz anderer Zusammenhang, wo der eine von dem anderen lernen kann.

Interview: Dorothea Schildt