Bio-Gänse, tote Katzen und ein UN-Kommissar

■ Merkwürdiger Leichenfund in der Bretagne: Wurden zwei Deutsche wegen Recherchen über Rechtsextremismus erschossen, oder war es ein Bandenkrieg?

Quimper/Hannover (AP/dpa/ taz) — In einem Krankenhaus der westfranzösischen Stadt Brest liegen zur Stunde zwei Leichen, die den Behörden große Rätsel aufgeben. Bei den Toten handelt sich um zwei deutsche Eheleute aus Niedersachsen namens Hartmut und Ingrid Gaul, die offenbar durch Kopfschüsse getötet und am Donnerstag früh in ihrem von Kugeln durchsiebten Auto auf einer Landstraße nur wenige Meter von ihrem Wohnhaus entdeckt worden waren. In dem Auto befanden sich auch je zwei erschossene Hunde und Katzen sowie eine Waffe und Patronenhülsen. Während die Leichen gestern obduziert wurden, schaltete sich auch die deutsche Polizei in die Ermittlungen ein.

Wenige Stunden vor der Entdeckung der Leichen war vor dem Funkhaus der bretonischen Stadt Quimper ein Metallkoffer mit offensichtlich von diesem Ehepaar stammenden Dokumenten und Computerdisketten abgestellt worden. Der Koffer, den ein Lokalradiojournalist gegen vier Uhr morgens entdeckte, enthielt unter anderem ein von Ingrid Gaul veröffentlichtes Buch namens „Deutschland“ mit dem Untertitel „125 Jahre Deutsches Reich 1871 bis 1996“, Material über die rechtsextreme Szene in Deutschland sowie einen Zettel mit der Bitte, das Koffermaterial an die UNO-Menschenrechtskommission weiterzuleiten.

UN-Menschenrechtskommissar Ayala Lasso bestätigte gestern, das Menschenrechtszentrum habe 1994 von den Gauls Materialien erhalten, und sagte, möglicherweise seien die Deutschen wegen ihrer Arbeit ermordet worden. Ähnliche Spekulationen über eine rechtsextreme Täterschaft machte auch das lokale Radio sowie der Rechtsanwalt Serge Klarsfeld.

Deutsche Polizeikreise dämpften gestern all diese Spekulationen. Das niedersächsische Landeskriminalamt berichtete, das Ehepaar, das sich verschiedentlich als „Umweltjournalisten“ oder „Wirtschaftjuristen“ ausgab, habe bis 1994 im niedersächsischen Emsbühren in einem Bordell gelebt und habe Materialien über Rechtsradikale möglicherweise als eine Art „Lebensversicherung“ zwecks Erpressung angesammelt. Gegen Hartmut Gaul gebe es einen internationalen Haftbefehl wegen Steuerhinterziehung und Betrug. Die französische Polizei, so das LKA weiter, gehe von einem Bandenkrieg aus. Der frühere Vermieter der Gauls aus Emsbühren sagte gegenüber dpa, das Paar sei im Februar 1994 geflohen, möglicherweise vor dem Gerichtsvollzieher: Sie hätten Rechnungen nicht bezahlt und mehrere Personen unter anderem mit dem Verkauf von Bio-Gänsen und Zahnarztstühlen betrogen.