■ Gedenksäule für den Sexualforscher Magnus Hirschfeld
: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg!

Berlin (taz) – Eigentum verpflichtet. Aber wozu? In manchen Fällen offenbar zum Verschweigen von Geschichte.

Jahrelang weigerten sich die Eigentümer des Hauses in der Charlottenburger Otto-Suhr-Allee 93 in Berlin, daß ihr schmuddeliges Abschreibungsprojekt mit dem Sexualforscher und Begründer der deutschen „Schwulenbewegung“ Magnus Hirschfeld (1868 bis 1935) in Verbindung gebracht wird. Die – sagen wir es mal freundlich – Berührungsangst mit der Schwulenbewegung konnte überwunden werden. Nach neunjährigem Tauziehen wird nun endlich am morgigen Sonntag, dem 60. Todestag des im französischen Exil verstorbenen jüdischen Forschers und Kämpfers für die gesellschaftliche Anerkennung von Homosexuellen, eine Gedenksäule enthüllt.

Nach dem Motto „Wir können auch anders“ hat die Magnus- Hirschfeld-Gesellschaft einen originellen Weg gefunden, die starre Haltung der Besitzer zu unterlaufen: Wenn eine Gedenktafel am Hause unerwünscht ist, dann kriegen die eben eine Gedenksäule vor die Nase gesetzt!

Angefangen hatte alles 1986. Im Vorfeld der Berliner 750-Jahr- Feier wurde im Bezirk Charlottenburg ein Gedenktafelprogramm aus der Taufe gehoben, das nach Meinung der seit 1982 existierenden Hirschfeld-Gesellschaft auch die Erinnerung an das Wirken des Begründers des „Instituts für Sexualforschung“ berücksichtigen sollte. In der Otto-Suhr-Allee hatten sich von 1896 bis 1910 nicht nur die Arztpraxis und die Wohnung von Magnus Hirschfeld befunden, hier war von 1897 an auch Versammlungsort des „wissenschaftlich-humanitären Komitees“, der ersten deutschen Homosexuellenorganisation.

Das Ziel der vorwiegend männlichen und nicht unbedingt im heutigen Sinne „schwulen“ Komiteemitglieder war die Entkriminalisierung und Entpathologisierung homosexueller Handlungen, die seit der Reichsgründung im Jahre 1871 unter Strafe standen. Hier wurde auch die erste sexualwissenschaftliche Zeitschrift mit dem wunderschönen Titel Jahrbuch für sexuelle Zwischenstufen ins Leben gerufen.

Gründe genug, möchte man meinen, um dort eine Gedenktafel aufzustellen. Die Hausverwaltung Comet sah das anders und akzeptierte den sozusagen schwulen Teil der Gedenktafel nicht. Selbst das Engagement der Bezirksbürgermeisterin Monika Wissel, die der Eigentümerversammlung einen Besuch abstattete, half nichts. Zähneknirschend entschloß sich die Hirschfeld-Gesellschaft den kastrierten Text zu akzeptieren. Glücklicherweise enthielt die fertige Tafel jedoch einen groben Fehler (das Todesdatum stimmte nicht!). Die Gedenktafel wurde deshalb als ständige Leihgabe an das Kreuzberger Schwule Museum gegeben – und das Tauziehen ging wieder von vorne los.

1992 konnte sich die Bezirksverordnetenversammlung dann endlich dazu entschließen, den Vorschlag der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft zu akzeptieren, eine Gedenksäule vor das Gebäude in der Otto-Suhr-Allee zu stellen. Sogar die CDU ließ das Opponieren und nickte.

Der Künstler August Jäkel wurde mit dem Entwurf einer mannshohen Säule (jetzt mit politisch korrektem Text!) inklusive Hirschfeldporträt beauftragt. Nach dem plötzlichen Tod von Jäckel führte Emanuel Scharfenberg die Arbeit zu Ende.

Gesponsert wurde die Initiative unter anderem vom Bezirksamt Charlottenburg, verschiedenen Schwulenorganisationen und Privatpersonen, dem Gay-Manager- Verband Völklinger Kreis und der Hannchen-Mehrzweck-Stiftung. Merke: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Gabriele Mittag