Dein guter Glaube, worauf stützt er sich?

■ betr: „Eigene Witwe erneut gehei ratet“ (Uni-Professor als SS- Mann), taz vom 2. 5. 95

Was da alles berichtet, erzählt und bedacht wird! – Ja, ein Krieg wurde überlebt. Aber wir Kinder der Überlebenden können nicht wissen, ob unsere Eltern nur Opfer von Krieg und Nachkrieg waren, oder ob nicht auch Täter.

Nette, freundliche, hochdekorierte, schäbige, interessant parlierende, tief philosophierende, prügelnde und streichelnde, scharfe und weiche, verstehende, verzeihende und alle niemals bereuende ältere Herrschaften. War ihre Mutter- und Vaterliebe echt oder Feierabendreue von Tätern, Schweigegeld für das Grauen? Ich kann es nicht wissen. Und dein guter Glaube – worauf stützt er sich?

Es gab da einen Arzt, der die schlimmsten Strecken zu den Patienten fuhr. Er konnte lächeln, helfen, lächeln und war doch Arzt in Dachau und Chef der SS-Akademie Graz. Da war ein Schiedsmann, Schlichter in Streiten, Gewerkschaftler und Kolpingmann, Ehrennadel, Achtung von Alt und Jung und war doch SA-Sturmführer. Wer kennt sie nicht aus Presse und offenen Geheimnissen? Aber wer kennt sie als Eltern? War dein Vater nur Pionier in Frankreich, Rußland oder müßte er auch vom Verladen von Menschen erzählen. War deine Mutter nur Flakhelferin oder gab es nicht auch andere „Dienstverpflichtungen“?

Was tut die Entdeckung eines Uni-Professors als Handlanger der Vernichtung dazu, solang du nicht sicher bist, daß dein Vater nicht etwa eine Kirche voll Menschen angezündet hat, als „Wachmann“ in Weimar gewohnt hat? Der Krieg ist um. Aber die Kinder dieser Generation können als Kinder von Opfern nicht den Gedanken, als Opferkind selbst eventuell Opfer zu werden, ertragen und als Kinder von anderen, ihren Eltern nicht glauben. Klaus Wachowski, Alzey