Unfreiwilliges Geständnis

■ Der erste Prozeßtag gegen zwei mutmaßliche Bankräuber hat gestern begonnen / Angeklagte streiten die Überfälle ab: Tasche mit Geld unterm Auto gefunden

„Alles Quatsch“, sagte Rolf Bodo G. zu den Tatvorwürfen. Sein bleiches Gesicht wirkte ein bißchen wie die Verlebendigung von Potzbies teleologischer Mutmaßung, nach der das Leben hart, aber ungerecht ist. Denn gegen ihn und den Mitangeklagten Ralf M. wurde gestern der Prozeß wegen räuberischer Erpressung und unerlaubten Waffenbesitzes vor dem Landgericht eröffnet.

Die Staatsanwaltschaft beschuldigt den 41jährigen Baubetreuer, im April vergangenen Jahres mit einer Pudelmütze maskiert und mit einer Pistole bewaffnet in einer Filiale der Berliner Bank am Kaiserdamm über 111.000 Mark sowie Devisen in Höhe von rund 38.000 Mark geraubt zu haben. In einem Anfall von Understatement soll er der Kassiererin der Bankfiliale zwei Aldi-Tüten über den Schalter gereicht und sie aufgefordert haben, die Plastiktüten mit Geld zu füllen. In einem weiteren Fall soll Rolf Bodo G. dem ebenfalls angeklagten Ralf M. dabei geholfen haben, eine Filiale der Berliner Sparkasse in der Prinzenallee im Wedding zu überfallen.

Dem Mitangeklagten Ralf M. legt die Anklagevertretung zur Last, am 11. Oktober 1994 mit Wollmütze und Stoffmaske vermummt in die Sparkasse eingedrungen zu sein und mit vorgehaltener Waffe die Herausgabe von rund 42.000 Mark erpreßt zu haben. Im Verlauf des Überfalls habe Ralf M. einem Bankkunden eine 9-Millimeter-Pistole an den Hinterkopf gehalten, um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen. Dann schob auch er zwei Plastiktüten, diesmal von Meyer, über den Counter. Rolf Bodo G. soll in einem Pkw auf ihn gewartet und so die gemeinsame Flucht ermöglicht haben. Die Staatsanwaltschaft betonte ausdrücklich, daß der Angeschuldigte und sein Mittäter beabsichtigt hätten, die Tatbeute für sich zu behalten, als ob Straftäter Raub- und Diebstahlsdelikte normalerweise zu Gunsten der Aktion Sorgenkind durchführen würden. Während der 33jährige, beschäftigungslose Ralf M. keinerlei Angaben machte, bestritt Rolf Bodo G. grundsätzlich die Beteiligung an den Überfällen.

Der Richter las daraufhin drei Briefe vor, die der Angeklagte G. aus der Untersuchungshaftanstalt geschmuggelt hatte. In diesen an seine Freundin, seinen Bruder und einen Freund gerichteten Kassibern bemühte sich Rolf Bodo G. um ein Alibi für die Tatzeit. In diesen Briefen beschrieb der 41jährige ausführlich, welche entlastenden Aussagen er benötigte und wer sie machen sollte. Wie die aus der Haftanstalt geschmuggelten Briefe auf den Richtertisch gelangen konnten, wurde nicht geklärt. Doch für den Vorsitzenden waren die Briefe „ein unfreiwilliges Geständnis erster Klasse“.

Der Angeklagte begründete seine aufwendigen Versuche, sich ein Alibi zu verschaffen, mit seiner mangelnden Glaubwürdigkeit, da er bereits wegen eines im Jahr 1982 begangenen Raubüberfalls vorbestraft ist. „Mir würde sowieso keiner glauben“, gab er zu bedenken. Auf Drängen des Richters erklärte er schließlich, daß er am 19. April mit seiner Freundin im Bett gelegen habe.

Zum zweiten Tatvorwurf, dem gemeinsam mit Ralf M. begangen Überfall, mochte er sich nicht äußern. Gegenüber der Polizei hatte er angegeben, daß er die Tasche mit der Beute aus dem zweiten Überfall unter den Rädern seines Mercedes gefunden und dann mit nach Hause genommen habe. Als er den Inhalt der Tasche gesehen habe, sei er erschrocken und habe beschlossen, die Tasche in einem verschließbaren Verschlag in seinem Haus zu verstecken. Dort hatte die Polizei die Tasche mit der Waffe und dem Geld entdeckt.

Sollten die beiden Männer verurteilt werden, müssen sie mit langjährigen Haftstrafen rechnen. Ralf M., der bereits elffach vorbestraft ist und wie Rolf Bodo G. einen großen Teil seines Lebens im Strafvollzug verbracht hat, stellt nach Auffassung der Staatsanwältin eine „Gefährdung der Allgemeinheit“ dar.

In Anbetracht des Umstandes, daß weder jahrelange Gewöhnung an schlechtere Kost noch der Freiheitsentzug an sich zur Resozialisierung beigetragen hat, gibt diese Formulierung einen Hinweis darauf, daß die Staatsanwaltschaft im Falle eines Schuldspruchs neben dem Urteil auch noch die anschließende Sicherungsverwahrung beantragen möchte. Der Prozeß wird am 11. Mai fortgesetzt. Peter Lerch