„Wie Martin Luther King“

■ Türkischer Frauenverein, erstes „Gastarbeiter“-Projekt, feiert 20jähriges Jubiläum

Die Kinder trugen festliche Anzüge, die Gäste Blumensträuße und die Frauen strahlende Frühlingslaune. Just am internationalen Frauentag feierte Berlin Türkiye Kadinlar Birligi, der Türkische Frauenverein, in seinen Räumen in der Kreuzberger Urbanstraße sein zwanzigjähriges Bestehen. „Ein Jubiläum, das es selten in der Stadt gibt“, stellte die Berliner Ausländerbeauftragte Barbara John vor dem malerischen Hintergrund bunter Schnittchenteller und Sektflaschen fest.

Derzeit feierten zwar viele Initiativen ihr Jubiläum, erst tags zuvor sei sie zum 15. Geburtstag des arabischen Frauenvereins Al-Nadi geladen gewesen, aber vor 20 Jahren habe es noch keinerlei Projekte für die sogenannten Gastarbeiter gegeben, erinnerte sich Frau John. Die Gründerinnen des Türkischen Frauenvereins hätten „den Grundstein für viele andere Projekte gelegt“. Und nicht nur das: „Sie haben damals eine Art kleine Kulturrevolution angezettelt“, denn niemand hätte 1975 geglaubt, daß die unsichtbar bei AEG oder Siemens schuftenden türkischen Frauen „selbst etwas auf die Beine stellen“.

Wahrscheinlich auch Meral Ulgun nicht, als sie am 24. Dezember 1963 in Berlin-Zoologischer Garten aus dem Zug stieg. „Damals gab es 750 Türken in Berlin“, erzählte die blonde Türkin den Festgästen aus den heute schon unwirklich erscheinenden Anfangszeiten der Immigration. Als die UNO im Jahre 1975 das Jahr der Frau ausrief, taten das auch Frau Ulgun und ihre Mitstreiterinnen, indem sie ihren Verein gründeten. „In der Woche arbeiteten wir, am Wochenende hatten wir Kurse, und bis 1981 zahlten unsere Lehrerinnen die Kreide selbst.“ Noch heute bietet Türkiye Kadinlar Birligi neben seiner psychosozialen Beratung Deutsch- und Alphabetisierungskurse mit integrierter Kinderbetreuung an.

Inzwischen aber haben längst schon die Kinder der Gründerinnengeneration die Führung des Vereins übernommen. „Können Sie sich noch an Ihren zwanzigsten Geburtstag erinnern?“ fragte die nur wenige Jahre ältere schwarzlockige Vereinsvorsitzende Semse Kaya. Um sodann, ein wenig wie Martin Luther King in seiner berühmten Rede, den Blumentraum einer besseren Welt zu entwerfen, für die ihr Verein seit zwei Jahrzehnten streite: „Diese Welt kennt keinen Feindbegriff und keinen Mann, der auf seine Frau einschlägt. Sie kennt nur Frauen, die stolz darauf sind, Frauen zu sein.“

Da geriet auch Helga Korthaase, Staatssekretärin bei der Senatsverwaltung für Frauen, ins Schwärmen: „Ich finde mich in den Träumen wieder.“ Die zur Feier des Tages in dezentes Lila gekleidete Sozialdemokratin versicherte eifrig, daß die Senatsverwaltung den Verein finanziell und politisch weiter unterstützen wolle – zum Beispiel bei seiner Forderung nach einer von den Ehemännern unabhängigen Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis für Immigrantinnen oder nach Bestrafung ausländerfeindlicher Taten.

Manchmal reicht aber auch eine Portion Humor. Launig erzählte eine der Vereinsfrauen von einer Parole, die sie eines Tages am Alex lesen mußte: „Türken haut ab, wir kommen!“ hatte ein Unbekannter an die Wand geschmiert. Die Antwort stand direkt drunter: „Wir sind schon längst da – Ali“. Ute Scheub