Unverschämtheit

■ betr.: „Das große KZ namens ,DDR‘“, taz vom 27. 2. 95

Nichts gegen das kleine Porträt, das Uwe Rada sich da zu meiner Person abmühte, auch nichts gegen eine Auseinandersetzung zwischen Linken und Nicht(mehr)linken, doch wer soll sich auf Dauer ständig rufmorden lassen? Obwohl Sie meine 35seitige Ausarbeitung besitzen, behaupten Sie weiterhin in allen Ihren Veröffentlichungen wahrheitswidrig, daß ich „einer ehemaligen SS-Wärterin zur Entschädigung verholfen“ hätte. Sind Sie wirklich so bescheuert, daß man Ihnen nur mit einer Anzeige beikommen kann? Ich habe der Frau einen Rechtsanwalt besorgt, das können Sie schreiben, aber das paßt wohl nicht in Ihr propagandistisches Konzept? Und woher wollen Sie wissen, daß ich nach dem Brandanschlag stillschwieg? Meine Fahrräder waren es diesmal nicht, die beschädigt wurden, nur Fetzen meines Manuskriptes lagen in der Asche. Soll ich deswegen Anzeige erstatten?

Eine weitere Unverschämtheit ist es, uns, also meinen politischen Freunden und mir, zu unterstellen, daß wir „SS-Wärterinnen zu entschulden“ suchten, so als hätten wir nichts anderes zu tun. Ich bin nur gespannt, wie Sie reagieren, wenn diese dienstverpflichtete SS- Aufseherin Kunz-Pietzner demnächst von Moskau aus für dieses 25-Jahre-Unrechtsurteil rehabilitiert werden sollte. Und daß sie davon zehn Jahre unschuldig absaß, was weder mit 65.000 noch mit einer Million wirklich „entschädigt“ werden kann, scheint manche linke Ideologen in ihrer Unbarmherzigkeit und Borniertheit nicht zu erschüttern. Bärbel Bohley hätte sich für ihren Satz, den Sie ihr zuschreiben, „daß auch der Entschädigungsfall in der Gedenkbibliothek eine Art von Gewalt sei“, indirekt zur Hehlerin der Gewaltanschläge gemacht und sich damit selbst disqualifiziert.

Da sich mein Respekt vor den Leistungen des Runden Tisches bezüglich der Stasi-Auflösung in Grenzen hält und ich zudem die geistig und moralisch-ethischen Fähigkeiten des „Reporters“ Schreier besonders zu würdigen weiß, kann ich mir den verheerenden Einfluß dieses Mannes am Runden Tisch gut vorstellen.

Daß Sie sich so sehr über die Wirkung des „Berliner Appells“ ärgern, kann mich nur freuen.

1. In dem von Uwe Rada unterzeichneten Artikel „Das große KZ namens ,DDR‘“ (übrigens frei nach Willy Brandt) behaupten Sie in der Zwischenüberschrift, daß ich „einer ehemaligen SS-Wärterin zur Entschädigung verholfen“ habe.

Das ist nachweisbar falsch. Erstens wäre das gar nicht möglich gewesen, zweitens habe ich das auch nie versucht. Zur Klärung ihrer Anliegen und Probleme habe ich dieser „dienstverpflichteten“ SS-Aufseherin lediglich einen Rechtsanwalt vermittelt, was meiner Pflicht als Vizepräsident des „Dokumentationszentrums zur Aufklärung der SED-Verbrechen“ entsprach.

2. Sie bezeichnen Frau Pietzner als SS-Wärterin, was den Eindruck erweckt, sie hätte in einem KZ oder Gefängnis Dienst getan. Das entspricht nicht den Tatsachen, denn sie beaufsichtigte „Fremdarbeiter“ in dem Flugzeugwerk ihrer Heimatstadt Wittenberg, wo sie zuvor als Maschinenschreiberin arbeitete und neun Monate vor Kriegsende von der SS zur Aufseherin dienstverpflichtet wurde.

3. Sie lassen mich in diesem Artikel als „Goethefreund und Autor“ bezeichnen, der „mit bürgerlichem Namen Kayenberg“ hieße. Dazu kann ich nur sagen, daß ich auch mit bürgerlichem Namen Faust heiße. Siegmar Faust

Anmerkung der Redaktion:

Auf dem Gelände der Arado- Werke in Ravensbrück befand sich sowohl ein Fremdarbeiterlager als auch eine Außenstelle des Frauen-KZ Ravensbrück. Frau Pietzner war in der Außenstelle des KZ- Ravensbrück beschäftigt. Das geht aus Dokumenten der „Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung von Kriegsverbrechen“ in Ludwigsburg hervor. Die Behauptung, bei Frau Pietzner habe es sich um keine KZ-Wärterin gehandelt, ist auch deshalb falsch, weil die in Ravensbrück ausgebildete Frau Pietzner auf der Gehaltsliste der SS in Ravensbrück stand.

Zur Entschädigung verholfen hat Siegmar Faust der KZ-Wärterin im Dienstrang der SS nicht nur durch die Vermittlung eines Anwalts, sondern nachweislich auch, indem er den Fall Bundesaußenminister Kinkel vorgetragen hat.

Daß Siegmar Faust wegen eines Brandanschlags zum damaligen Zeitpunkt keine Anzeige bei der Polizei erstattet hatte, bestätigte nicht nur die Polizei, sondern bestätigt nun auch Siegmar Faust. Insofern ist die Behauptung im Leserbrief von Herrn Günther, nach Wolfgang Templin zweiter Vorsitzender der Gedenkbibliothek, falsch.

In der Tat heißt Faust mit bürgerlichem Namen nicht Kayenberg. Der 1944 geborene Kayenberg heißt statt dessen laut Geburtsurkunde seit 1972 mit bürgerlichem Name Faust.