Unter den Teppich gekehrt

■ Mehrheit der „Gedenkbibliothek“ verhindert Debatte über Entschädigung für KZ-Wächterin

Berlin (taz) – Der vom Neuen Forum 1989 gegründete Verein „Gedenkbibliothek für die Opfer des Stalinismus“ hat sich gespalten. Nachdem auf einer Mitgliederversammlung am Montag abend eine Diskussion um die Entschädigung der ehemaligen KZ-Wärterin Margot Pietzner abgelehnt wurde, verließen der Schriftsteller Jürgen Fuchs, die Havemann-Witwe Katja Havemann sowie mehrere Gründungsmitglieder aus der DDR-Bürgerrechtsbewegung die Veranstaltung. Zurück blieb die rechtskonservative Mehrheit des Vereins und der ehemalige Bürgerrechtler und Gelegenheitsautor der rechten Jungen Freiheit, Wolfgang Templin, der anschließend als einziger Kandidat zum neuen Vorsitzenden gewählt wurde.

Templin hatte zuvor darauf gedrängt, daß nur ein neuer Vorstand die Vorgänge um das Verhalten der „Gedenkbibliothek“ bei der Entschädigung von Margot Pietzner aufklären könne. Eine öffentliche Debatte hatte Templin zum Ärger von Jürgen Fuchs und den anwesenden BürgerrechtlerInnen abgelehnt. Die taz hatte Anfang Dezember darüber berichtet, daß sich die Vorstandsmitglieder der „Gedenkbibliothek“, Siegmar Faust und Ursula Popiolek, für eine Entschädigung von Margot Pietzner für ihre Haft in der DDR und ihre Anerkennung als Opfer des Stalinismus eingesetzt hatten. Von den 64.350 Mark Entschädigung hatten Popiolek 15.000 Mark, Faust 7.000 Mark und Popioleks Sohn 5.000 Mark entgegengenommen. Sowohl Faust als auch Popiolek war bereits seit 1991 ein Hinweis bekannt, demzufolge Pietzner in einem Außenlager des Frauen-KZ Ravensbrück als Wärterin tätig war.

Auf einer Veranstaltung der „Gedenkbibliothek“ Mitte Dezember hatten zwar Popiolek und Faust ihre Ämter als Vorstandsmitglieder niedergelegt, die Forderung von Bärbel Bohley nach einer Entlassung von Ursula Popiolek als Leiterin der Bibliothek war allerdings entschieden abgelehnt worden. Uwe Rada

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