Theologe rechtfertigt jahrelange Stasi-Tätigkeit

■ Hanfried Müller: „Ehrenamtlich wahrgenommene gesellschaftliche Tätigkeit“

Der Ost-Berliner Theologieprofessor Hanfried Müller hat jahrzehntelange Stasi-Mitarbeit eingestanden und als „ehrenamtlich wahrgenommene gesellschaftliche Tätigkeit“ gerechtfertigt. Er habe nach dem 17. Juni 1953 auf eigenen Wunsch den Kontakt zu Funktionären der DDR-Staatssicherheit gesucht und mit ihnen eine „vertrauensvolle Zusammenarbeit für den Frieden“ vereinbart, schreibt der 69jährige Müller in der neuesten Ausgabe der von ihm herausgegebenen Zeitschrift Weißenseer Blätter.

Wie er darin berichtet, wirft ihm die Staatsanwaltschaft beim Berliner Kammergericht vor, seit Mitte der 50er Jahre unter dem Decknamen „Hans Meier“ als Inoffizieller Mitarbeiter für das DDR-Ministerium für Staatssicherheit tätig gewesen zu sein. Von der Bezeichnung „IM“ habe er zwar erst 1989 erfahren, wolle sich nachträglich aber nicht dagegen sträuben, betont Müller, der mehrere Jahre für die Humboldt-Universität der Berlin-brandenburgischen Synode angehörte und in seinen öffentlichen Reden stets die Politik der SED-Führung verteidigt hatte.

Gleichberechtigter Meinungsaustausch

Bei seinen Gesprächen mit den Stasi-Funktionären habe es sich weder um ein „Ausplaudern von Geheimnissen“ noch um „Vertrauensbrüche gegenüber Personen“, sondern um einen „Meinungsaustausch Gleichberechtigter“ gehandelt. „Es gab kein Verhältnis von Beauftragung und Auftragserfüllung, sondern allenfalls Verabredungen auf Gegenseitigkeit.“

Über kirchenpolitische Fakten hätten seine Stasi-Gesprächspartner stets „sehr viel mehr“ gewußt als er, schreibt Müller. Dadurch seien sie der informierende und er „der durch sie informierte Teil“ gewesen. Zwischen 1967 und 1970 habe er sogar seine Kontakte zur Rettung der Evangelischen Kirche der Union (EKU) zu nutzen versucht. „Vielleicht haben sie dazu geholfen und überdies zugleich die DDR vor einer Dummheit bewahrt“, betont Müller in dem Beitrag.

Das im Oktober gegen ihn eingeleitete Ermittlungsverfahren bezeichnet Müller als „abenteuerlichen Versuch, aus einem evangelischen Theologen und Publizisten einen Spion oder Agenten zu machen“. Er habe niemals „geheimdienstliche Aufklärungsaufträge in der BRD“ erledigen sollen. Das Sicherheitssystem der DDR habe er jedoch jederzeit als „unvermeidlich und notwendig“ bejaht. Auch heute halte er „die DDR für den mehr, die BRD für den weniger für Recht und Frieden sorgenden deutschen Staat“. epd