Schriften zu Zeitschriften
: Vier Briefe, ein Abschied

■ „Theater Heute“ distanziert sich von Botho Strauß

Das Paradox der neuen rechten Rede liegt in ihrer Koketterie: Man wirft sich als Herold einer neuen existentiellen Ernsthaftigkeit in Pose, indem man etwa, wie es der Dichter Botho Strauß in seinem „Bocksgesang“ tat, die „rechte Gewalt“, den läuternden „Lynchmord“, die „Zerreißung unterm Lärmgott“ preist; sollte man beim Wort genommen werden, wie es Strauß geschah, schmollt man und will es nicht gewesen sein.

Die Redaktion der Zeitschrift Theater Heute mochte sich, wie das neue Heft zeigt, nicht mehr länger mit der Koketterie eines Autors begnügen, dem von der sogenannten neuen Rechten eine führende Rolle zugemessen wird. Theater Heute ist in diesem Fall besonders betroffen; das Blatt ist nicht nur Strauß, dem Stückeschreiber, verbunden – er war Mitte bis Ende der sechziger Jahre Mitglied der Redaktion.

Das Dezemberheft dokumentiert einen Briefwechsel des Redakteurs Franz Wille mit Strauß. Dessen letzter Satz enthält die Bitte, die Briefe „als Privatsache zu betrachten“. Daß die Redaktion sich entschied, sie zu veröffentlichen, ist ein Affront und bedeutet einen Bruch. Ein Text des Chefredakteurs Peter von Becker läßt denn auch keinen Zweifel: Theater Heute nimmt „Abschied von Botho Strauß“.

Dabei war das Motiv für Willes ersten Brief eigentlich nur der Wunsch nach einer Klarstellung. Wille zeigt sich darin irritiert von Strauß' neuen Freunden und dem Gebrauch, den sie – vom Autor unwidersprochen – von seinem „Bocksgesang“ machen. Der Text wird in der kürzlich im Ullstein-Verlag erschienenen Aufsatz-Sammlung „Die selbstbewußte Nation“ als Leitmotiv eines „Manifests der konservativen Intelligenz“ benutzt. Wille zählt Strauß in seinem Brief die anstößigen Stellen aus diesem Buch auf – von Brigitte Seebacher-Brandts forscher, aber endgültiger Klärung der deutschen Schuldfrage („Täter waren die braunen Machthaber, die den nationalen Verrat begingen“) bis zu Ernst Noltes neuesten Übungen in Führer-Empathie („Es ist sehr wahrscheinlich, daß Hitler den Krieg gewonnen haben würde, wenn er nur der Vorkämpfer der internationalen Rechten und [...] der Befreier der ukrainischen und russischen Bauern gewesen wäre; und es ist nicht sicher, daß er die Vernichtung statt bloß die Vertreibung der europäischen Juden befohlen haben würde“). Strauß hat zu alledem nichts zu sagen, als daß man „alle Stellen, die Sie inkriminieren, [...] mit identischer Gebärde, identischer Idiosynkrasie 1965 oder 1976 ebenso inkriminiert hätte. Aber nach allem, was geschehen ist? Wir sind keine statisch linksaufgeklärte Gesellschaft.“

Die Redakteure von Theater Heute wollten eine politische Debatte. Der Dichter war beleidigt, daß man ihn so ernst nahm, und schickte, wie es für ihn seit einiger Zeit Usus ist, Beleidigungen: Franz Wille wurde der „anonyme ideelle Querschnitt aller geläufigen Bedenklichkeiten“ attestiert. Wer in diesem Streit der geistige Kleinkrämer ist, zeigt ein Blick auf Seite 48 dieses Hefts. Aboprämie: Botho Strauß, „Theaterstücke in zwei Bänden“. Jörg Lau